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Bunsen, Marie von
John Ruskin: sein Leben und sein Wirken; eine kritische Studie — Leipzig: Seemann, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.66337#0019
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Erweckungen. Erste Eindrücke von Italien

11

Unmöglich kann zu irgend einer Weltepoche einem Kind
meiner Gemütsart ein gebenedeieterer Eintritt in das Leben
werden. ... In vollendeter Gesundheit, mit feurigem Herzen,
kein anderes als dies Knabendasein kennend, nichts Besseres
begehrend, von Trauer nur genug ahnend, um den Lebens-
ernst zu fühlen, aber nicht genug, um die Sehnen zu lockern,
mit ausreichender wissenschaftlicher Kenntnis, um in diesem
Anblicke der Hochalpen nicht nur die Offenbarung der Erden-
schönheit, sondern das geöffnete erste Blatt ihres Buches zu
erkennen — so stieg ich an jenem Abend von der Gartenterrasse
von Schaffhausen herab: was heilig und nutzbringend in meinem
Schicksal sein sollte, war nun auf immer befestigt. Nach jener
Terrasse, wie nach dem Ufer des Genfer Sees wendet sich
noch heute mein Herz, mein Glaube in jeder noch lebens-
vollen, edlen Regung, in jedem Gedanken, der Friede und
Kraft verleiht“ (Pr. I 165).
Später nennt er Rouen, Genf und Pisa seine
einzigen Lehrmeister. Von Genf meint er in charakte-
ristischer Einseitigkeit, es wäre
„der Mittelpunkt aller religiösen und sozialen Gedanken Europas.
... Es beherrscht die übrigen Völker, ist ihnen Brennpunkt
der Leidenschaft, der Wissenschaft, des ,contrat social' der
vernünftigen Lebensweise und der Lebensformen. Hier lehrte
Saussure und Calvin, Rousseau und Byron, Purner und . . .
Natürlich wollte ich sagen — und ich, aber hiermit will ich
diese Seite nicht beschliessen“ (Pr. II 122).
Gotische Architektur, die Alpenwelt und das
italienische Tre- und Quattrocento waren auch wirk-
lich, ziemlich buchstäblich, seine einzigen Lehrmeister,
die Sonnen seiner Welt von Interessen und Kennt-
nissen. Nur übersah er in dem Augenblicke, weil
es ihm nicht passte, den Einfluss Tintorettos, des
,,grössten Malers der Welt“ (Crown. 117), Alt-Venedigs,
mit seiner Offenbarung „edelsten, vollkommensten
Lebens“, und Turners, des ebenfalls „grössten Malers
der Welt“ (M. P. I 411). Sonst hat er wenig ge-
kannt, noch verstanden.
 
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