der Epoche Ludwigs XIV. mit ihren Allegorien schlechte Geschäfte ge<
macht hat.
Im V. Gesang der Henriade, nach einem Gebet des Jacques Cle-
ment, welcher zur Ermordung des Henri III. bestimmt war, läßt zum
Beispiel Voltaire die Zwietracht auftreten:
La Discorde attentive, en traversant les aires
Entend ces cris affreux et les porte aux enfers.
Elle amene ä l’instant, de ces royaumes sombres,
Le plus cruel tyran de l’empire des ombres.
II vient, le Fanatisme est son horrible nom,
Enfant denature de la religion . . .
Er nimmt zum Erscheinen die Truggestalt des Guise an, weil sich
Voltaire doch geniert, eine abstrakte Fratze vor Menschen handelnd
auftreten zu lassen.
Diese Discorde ist aber eine alte Bekannte, unter anderm von
Boileaus Lutrin her, wo sie im I. Gesang nach einer Runde durch Klöster
sich vor ihrem Palast, dem Palais de justice, aufstellt und zusieht, wie
von allen Straßen her die Landkutschen mit Plaideurs angefahren
kommen. Weiterhin hat Boileau die Allegorien nur mäßig angewendet,
bis auf den VI. Gesang, wo Piete sincere sich von der Grande Chartreuse
aufmacht und, begleitet von den drei christlichen Tugenden, durch halb
Frankreich nach Paris reist, um sich dort mit der Themis klagend zu
besprechen. Diese absurde Partie nimmt dem hübschen komischen Epos
einen guten Teil seines Wertes. Diese Gattung verträgt nicht leicht
pathetische Einlagen, und wenn sie Abstracta mit Glück vorbringen soll,
werden es komische, ja burleske sein müssen, wie sie etwa im italiem
ischen komischen Epos vorkommen. Boileaus und Voltaires Abstracta
sind öde Maschinerien.
Allein mit Boileau sind wir bereits in das so allegorienreiche XVII.
Jahrhundert hinaufgelangt, welches in dramatischen Moralitäten, in
Autos sagramentales, in katholischen und protestantischen SchuL und
Volksdramen die abstrakten Gestalten nicht im mindesten scheut und in
Marmor und Erz wie in farbenstrahlenden Bildern sie massenweise ge*
braucht (8). Ein eigener Zweig der Gelehrsamkeit gab sich längst mit
den Allegorien ab und schuf auch ganz undeutsame Gestalten.
Kein Grabmal von höherem Aufwand, welches nicht neben dem
Bild des Verstorbenen noch mindestens eine klagende Tugend oder, bei
Fürsten und Kriegern, eine posaunende Fama enthielte. Die unterliegende
381
macht hat.
Im V. Gesang der Henriade, nach einem Gebet des Jacques Cle-
ment, welcher zur Ermordung des Henri III. bestimmt war, läßt zum
Beispiel Voltaire die Zwietracht auftreten:
La Discorde attentive, en traversant les aires
Entend ces cris affreux et les porte aux enfers.
Elle amene ä l’instant, de ces royaumes sombres,
Le plus cruel tyran de l’empire des ombres.
II vient, le Fanatisme est son horrible nom,
Enfant denature de la religion . . .
Er nimmt zum Erscheinen die Truggestalt des Guise an, weil sich
Voltaire doch geniert, eine abstrakte Fratze vor Menschen handelnd
auftreten zu lassen.
Diese Discorde ist aber eine alte Bekannte, unter anderm von
Boileaus Lutrin her, wo sie im I. Gesang nach einer Runde durch Klöster
sich vor ihrem Palast, dem Palais de justice, aufstellt und zusieht, wie
von allen Straßen her die Landkutschen mit Plaideurs angefahren
kommen. Weiterhin hat Boileau die Allegorien nur mäßig angewendet,
bis auf den VI. Gesang, wo Piete sincere sich von der Grande Chartreuse
aufmacht und, begleitet von den drei christlichen Tugenden, durch halb
Frankreich nach Paris reist, um sich dort mit der Themis klagend zu
besprechen. Diese absurde Partie nimmt dem hübschen komischen Epos
einen guten Teil seines Wertes. Diese Gattung verträgt nicht leicht
pathetische Einlagen, und wenn sie Abstracta mit Glück vorbringen soll,
werden es komische, ja burleske sein müssen, wie sie etwa im italiem
ischen komischen Epos vorkommen. Boileaus und Voltaires Abstracta
sind öde Maschinerien.
Allein mit Boileau sind wir bereits in das so allegorienreiche XVII.
Jahrhundert hinaufgelangt, welches in dramatischen Moralitäten, in
Autos sagramentales, in katholischen und protestantischen SchuL und
Volksdramen die abstrakten Gestalten nicht im mindesten scheut und in
Marmor und Erz wie in farbenstrahlenden Bildern sie massenweise ge*
braucht (8). Ein eigener Zweig der Gelehrsamkeit gab sich längst mit
den Allegorien ab und schuf auch ganz undeutsame Gestalten.
Kein Grabmal von höherem Aufwand, welches nicht neben dem
Bild des Verstorbenen noch mindestens eine klagende Tugend oder, bei
Fürsten und Kriegern, eine posaunende Fama enthielte. Die unterliegende
381