SCHÜCHLIN IN ULM
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den siebziger bis achtziger Jahren eine selb-
ständige Entwicklung in Schwaben und Fran-
ken, losgelöst von dem Kirchenbild. Ein vor-
treffliches Beispiel ist das Bildnis eines Ehe-
paares aus der schwäbischen Schule von 1479
im Bayerischen Nationalmuseum, auch die vier
gestochenen Bildnisse des schwäbischen Ste-
chers WB mit dem Schlangenstab gehören in
diesen Zusammenhang. Die Farben Herlins
sind wie die seiner Zeitgenossen Isenmann
und Schongauer leuchtend und tief, die Mo-
dellierung ist kräftig. Arbeiten seiner Werk-
statt sind endlich noch in der Blutskapelle in
Rothenburg o. d. T. ein kleiner Ecce homo und
Vera Icon, in der S. Georgskirche in Dinkels-
bühl ein Seitenaltar mit den Szenen aus Christi
Jugendgeschichte auf den Flügeln, einige
weitere Tafeln mehr handwerklicher Natur in
der Nördlinger Galerie.
Ein gleichstrebender Landsmann
Berlins ist Hans Schüchlin oder
Schülein in Ulm, dessen bezeichnetes
Hauptwerk der 1469 datierte Hochaltar
in der durch Mosers Altar berühmten
Kirche in Tiefenbronn ist. Schülein
ist in Ulm von 1480 bis 1505 nach-
weisbar, von 1494 bis 1503 als Pfleger
des Münsterbaues. Der Altar in Tie-
fenbronn besteht wieder aus einem
Mittelschrein mit Schnitzfiguren, in
zwei Geschossen, oben die Kreuzab-
nahme unten die Beweinung, jede von
zwei Heiligen in Gehäusen begleitet,
62. Friedrich Herlin: Gefangennahme des hl. Blasius vom
Altar der Blasiuskirche in Bopfingen
und aus zwei Flügeln mit vier Passionsszenen unter geschnitzten Maßwerkbaldachinen
(Abb. 64).
Auch Schüchlin hat, wenngleich weniger unmittelbar als Herlin, die Einwirkung des Rogerschen Stils
erfahren. Er gruppiert seine hageren Figuren in einer ebenen Zpne, locker in der kahlen Landschaft. Diese
ist meist flach aus tiefem Augenpunkt gesehen mit Schlängelwegen und steilen Felsen oder leicht bebuschten
Hügeln in der Ferne. Stadtansichten oder einzelne Fachwerkhäuser und spärliche dünne Bäume suchen
den nackten dürftigen Eindruck zu beleben. Die hageren Gestalten stehen steif und hilflos in der Fläche;
der herbe strenge Ausdruck Rogers geht bei Schülein ins Verkümmerte und Finstere über, namentlich die
verkniffenen, aus stechenden Augen blickenden Henker- und Knechtsgesichter rücken ihn der Nürnberger
Schule, dem Wolgemut nahe, ohne daß er dessen dramatische Erzählungsweise erreichen kann. Die Nach-
richt, daß Schüchlin im Jahre 1474 mit seinem Schwager, dem Nürnberger Albrecht Rebmann, zusammen
einen Altarauftrag für den Chor der Martinskirche in Rottenburg ausführte, spricht für Beziehungen zu
Nürnberg. Auch die Landschaften mit vereinzelten Fachwerkhäusern und dünnen Bäumen bieten Berührungs-
punkte mit Wolgemuts früheren Malereien, z. B. dem Hofer Altar von 1465. Der Schwiegersohn Schüchlins
war Bartholomäus Zeitblom, und mit diesem zusammen hat er den Altar für Münster in Schwaben aus-
geführt, der jetzt in der Gemäldegalerie in Budapest ist, und, wenngleich restauriert, doch zur Genüge
dartut, daß Schüchlin auf die Schulung des jungen Zeitblom von entscheidendem Einfluß gewesen ist. Was
sonst noch von Tafelbildern dem Schüchlin zugeschrieben wird, ist umstritten, z. B. ein Zacharias im Tempel,
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den siebziger bis achtziger Jahren eine selb-
ständige Entwicklung in Schwaben und Fran-
ken, losgelöst von dem Kirchenbild. Ein vor-
treffliches Beispiel ist das Bildnis eines Ehe-
paares aus der schwäbischen Schule von 1479
im Bayerischen Nationalmuseum, auch die vier
gestochenen Bildnisse des schwäbischen Ste-
chers WB mit dem Schlangenstab gehören in
diesen Zusammenhang. Die Farben Herlins
sind wie die seiner Zeitgenossen Isenmann
und Schongauer leuchtend und tief, die Mo-
dellierung ist kräftig. Arbeiten seiner Werk-
statt sind endlich noch in der Blutskapelle in
Rothenburg o. d. T. ein kleiner Ecce homo und
Vera Icon, in der S. Georgskirche in Dinkels-
bühl ein Seitenaltar mit den Szenen aus Christi
Jugendgeschichte auf den Flügeln, einige
weitere Tafeln mehr handwerklicher Natur in
der Nördlinger Galerie.
Ein gleichstrebender Landsmann
Berlins ist Hans Schüchlin oder
Schülein in Ulm, dessen bezeichnetes
Hauptwerk der 1469 datierte Hochaltar
in der durch Mosers Altar berühmten
Kirche in Tiefenbronn ist. Schülein
ist in Ulm von 1480 bis 1505 nach-
weisbar, von 1494 bis 1503 als Pfleger
des Münsterbaues. Der Altar in Tie-
fenbronn besteht wieder aus einem
Mittelschrein mit Schnitzfiguren, in
zwei Geschossen, oben die Kreuzab-
nahme unten die Beweinung, jede von
zwei Heiligen in Gehäusen begleitet,
62. Friedrich Herlin: Gefangennahme des hl. Blasius vom
Altar der Blasiuskirche in Bopfingen
und aus zwei Flügeln mit vier Passionsszenen unter geschnitzten Maßwerkbaldachinen
(Abb. 64).
Auch Schüchlin hat, wenngleich weniger unmittelbar als Herlin, die Einwirkung des Rogerschen Stils
erfahren. Er gruppiert seine hageren Figuren in einer ebenen Zpne, locker in der kahlen Landschaft. Diese
ist meist flach aus tiefem Augenpunkt gesehen mit Schlängelwegen und steilen Felsen oder leicht bebuschten
Hügeln in der Ferne. Stadtansichten oder einzelne Fachwerkhäuser und spärliche dünne Bäume suchen
den nackten dürftigen Eindruck zu beleben. Die hageren Gestalten stehen steif und hilflos in der Fläche;
der herbe strenge Ausdruck Rogers geht bei Schülein ins Verkümmerte und Finstere über, namentlich die
verkniffenen, aus stechenden Augen blickenden Henker- und Knechtsgesichter rücken ihn der Nürnberger
Schule, dem Wolgemut nahe, ohne daß er dessen dramatische Erzählungsweise erreichen kann. Die Nach-
richt, daß Schüchlin im Jahre 1474 mit seinem Schwager, dem Nürnberger Albrecht Rebmann, zusammen
einen Altarauftrag für den Chor der Martinskirche in Rottenburg ausführte, spricht für Beziehungen zu
Nürnberg. Auch die Landschaften mit vereinzelten Fachwerkhäusern und dünnen Bäumen bieten Berührungs-
punkte mit Wolgemuts früheren Malereien, z. B. dem Hofer Altar von 1465. Der Schwiegersohn Schüchlins
war Bartholomäus Zeitblom, und mit diesem zusammen hat er den Altar für Münster in Schwaben aus-
geführt, der jetzt in der Gemäldegalerie in Budapest ist, und, wenngleich restauriert, doch zur Genüge
dartut, daß Schüchlin auf die Schulung des jungen Zeitblom von entscheidendem Einfluß gewesen ist. Was
sonst noch von Tafelbildern dem Schüchlin zugeschrieben wird, ist umstritten, z. B. ein Zacharias im Tempel,