Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

DOI issue:
Nr. 5
DOI article:
Radinger, Karl von: Amras, ein Fürstensitz der Renaissance
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0104
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
86

dreiStockwerke in Nischen allegorische Figuren, Götter und Heldengestalten, in denFriesen mythologische und
biblische Szenen. Im Erdgeschosse befindet sich neben den Gastkammern und Vorratsräumen die Badeanlage,
bestehend aus dem getäfelten Auskleidezimmer und dem eigentlichen Badelokal mit Bassin und Holzsitz.
Auch die Kapelle im östlichen Trakt ist vom Hofe aus durch einen Vorraum zugänglich. In ihren Ursprüngen
auf das zwölste Iahrhundert zurückgehend und in der Spätgotik durch einen Chorabschluß erweitert, läßt
sie heute insolge der Ecneuerung nichts mehr von ihrer Renaissanceausstattung erkennen; ihre Fortsetzung
findet sie im Oratorium des Obergeschosses. Über eine Treppe, die durch ein reich ornamentiertes Gitter
abgeschlossen wird, gelangt man in die Wohnräume der beiden Stockwerke, und zwar war das obere, der
Frauenzimmerboden, sür den Hosstaat der Welserin bestimmt, während sich unten Saal, Stuben und Kam-
mern des Erzherzogs und seiner Kammerherren befanden. Anter dem Dach wurden die Birsch- und Stachel-
büchsen aufbewahrt.

Die Verbindung der einzelnen Näume ist unzweckmäßig, da sich in jedem Trakte nur an den Cnden
ein Ein- und Ausgang findet,- eine Hintertreppe sührt ins Parterre. Von den herrlichen Täfelungen der
Säle und Kammern hat sich außer vereinzelten Nesten nur eine einzige intarsierte Kassettendecke erhalten,
auch die meister Kamine, Fenster und Türstöcke aus rotem Kramsachermarmor sind einer Nestaurierung zum
Opfer gefallen. Die Gänge waren meist mit Sprüchen ernsten und heiteren Inhaltes geziert und wie alle
Näume reich mit Elen, Steinbock und Hirschgehürn behangen.

An etwas scheint aber der Architekt nicht gedacht zu haben, an einen großen Nepräsentations- und Fest-
saal. Die Notwendigkeit eines solchen wird sich bei den zahlreichen fürstlichen Besuchen bald herausgestellt
haben; Ferdinand gab daher im Iahre 1570 dem alten Luchese den Auftrag, mit dem Bau zu beginnen.
Da die Anlage ihrer Bestimmung entsprechend möglichst nahe an das Hochschloß gerückt und mit diesem ver-
bunden werden sollte, mußte der Fels an der Südseite des Hügels abgesprengt werden. An diesen Fels
wurde das langgestreckte eingeschossige Gebäude so angelehnt, daß die eine Längswand von ihm gebildet
wurde, ein Nachteil, der bis heute nachwirkt.

Seine Bestimmung als Festbau zeigt am besten die Gartenfront mit ihren 17 hohen Fenstern, über
denen noch kleinere Nundfenster angeordnet sind. Die Gewölbe des Souterrains dienten als Bauernrüst-
kammer, die ursprüngliche Bedachung bestand aus einer Neihe von Walmdächern, deren Giebel je drei
Fenster überhöhten. Der Haupteingang ist wie beim Hochschloß auf der Westseite gelegen. Über ihm war
das Wappen des Erzherzogs angebracht, zwei Landsknechte mit den Bannern Österreichs und Tirols hielten
zu beiden Seiten Wacht. Auch die Gartenfront war durch eine gemalte Architektur mit korinthischen Säulen
gegliedert. Das Innere ist trotz seiner wenig glücklichen Verhältnisse und einer durchgreifenden Nestaurierung
noch von mächtiger Wirkung. Der sogenannte spanische Saal mißt 43 m in der Länge, 16 m in der Breite
und nur 5^ m in der Höhe. Erdrückend wirkt besonders der mächtige Kassettenplafond, der ebenso wie die
zwei kostbaren eingelegten Türen eine Arbeit des Innsbrucker Hoftischlers Konrad Gottlieb ist. Die Nord-
wand und die beiden Schmalseiten zieren, heute freilich völlig erneuert, die überlebensgroßen Bildnisse der
Tiroler Landesfürsten von Graf Albert bis Erzherzog Ferdinand; sie gehen auf den Tizianschüler Pietro
Rosa von Brescia zurück. Die Felder des Wandsockels auf der Fensterseite enthalten Szenen aus der
römischen Geschichte, vielleicht von Fontanas Hand. Als Maler der Grotesken derselben Wand steht der
Niederländer Denis van Hallart fest. Anter der Decke zieht sich ein mit allerlei Gehörn geschmückter Stuko-
fries hin. Der Fußboden wird durch weiße, rote und schwarze Marmorplatten gebildet. In dem anstoßenden
einfenstrigen Gemache ist die Reihenfolge der Aürstenporträts bis auf Karl VI. fortgesetzt, nur die Grotesken
sind hiernoch aus der Ferdinandszeit. Die ganze so reicheInnenausstattung wurde imIahre1571 hergestellt.

Am dieselbe Zeit wurde auch das heute verschwundene Ballspielhaus fertiggestellt. Nach den Abbil-
dungen war es ein schlichter, langgezogener Bau mit zwei Eingängen, einer Hofloge und einer Neihe kleiner
Fenster. 1572 erhielt auch dieses dem bei Hofe leidenschaftlich gepflegten Ballspiele dienende Gebäude sein
Marmorpflaster. Nicht so genau sind wir über die Entstehungszeit der den großen unteren Hof fast hufeisen-
förmig umschließenden Baulichkeiten unterrichtet. Verfolgen wir sie an der Hand des alten Stiches (Abb. 58).

Da ist mit der Front nach Norden gekehrt der 1572 vollendete „neue Traidkasten", eine merkwürdige
Kombination von Näumlichkeiten, im Erdgeschoß der Klepperstall, dessen Gewölbe mächtige Pfeiler aus
 
Annotationen