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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 21.1920

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Nr. 1
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Voigt, Christian: Die Festung Berlin, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.34330#0007
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3
Abstammung Memhardts richtig gestellt zu haben) lieferte die Zeichnungen, während Matthias Dögen bis zu
seinem Ableben, 1672, den Bau leitete (Abb. 3).
Unter Memhardts Führung wirkten an den Befestigungsarbeiten eine Reihe holländischer Ingenieure mit:
Tileman Iongbloet, Johan ten Verhuys, Henrik Ruse, der um Cleves Befestigungen sich verdient gemacht hat,
Henrik Wallman und der Wasserbaumeister Michael Mathias Sunds. Memhardts unbestreitbare Verdienste
würdigte Friedrich Wilhelm u. a. dadurch, daß er ihn zum Bürgermeister des neuen Stadtteils Friedrichswerder
ernannte.
Was hatte es mit diesem Stadtteil auf sich? Berlin bestand beim Beginn des Festungsbaues (1658) aus
zwei Städten mit eigenen Verwaltungen, dem eigentlichen Berlin und Kölln - beide sind durch die Spree getrennt,
derart, daß Berlin auf dem rechten Spreeufer und Kölln auf der von Spree und Spreearm gebildeten Insel (heut
Museumsinsel) liegt. Der südwestlich von Kölln am linken Ilfer des Spreearms sich hinziehende Teil ist der Fried-
richswcrder. Er bestand, abgesehen von einigen Gebäuden, aus Buschwerk und Sumpfboden, und wurde, soweit
er bebaut war, gleich mit Anheben des Festungsbaues in den Bereich der Befestigungen hineingezogen.
Diese drei Städte oder Stadtteile (Berlin, Kölln und der Friedrichswerder oder schlechtweg Werder) erhielten
durch die gemeinsame Befestigung ihre natürliche Abgrenzring. Als vierte Stadt trat während des Baues die
Dorotheen- oder Neustadt hinzu; sie bekam eine besondere Umwallung. Daneben gab es noch einen Stadtteil
Neukölln, der von Kölln durch den Spreearm getrennt war und sich von der Bastion Spittelmarkt bis zum „Boll-
werk im Morast", also bis zur eigentlichen Spree am Oberbaum, erstreckte.
Kehren wir zu den kenntnisreichen holländischen Wasserbaunieistern zurück. Sie waren die rechten Leute
für die bauliche Umwälzung Berlins, bei der auf die Flußregulierung ein bedeutender Anteil entfiel.
Der Spreearm, die Friedrichsgracht, wurde reguliert, das Sumpfgelünde mit den Werdern entwässert, und
die malerisch anmutende Flußlandschast wandelte sich in zickzackförmige Wasserläuse um, in deren stillen Fluten
sich hochragende, spitzausfallende Bastionen und Pallisadenreihen wiederspiegelten. Da gab es die eigentliche
Spree, den Spreearm (die spätere Friedrichsgracht) und die neu angelegten Festungsgräben, die den Stadtbereich
ringförmig umgaben und unter den Namen „Königsgraben" und „Grüner Graben" bis in die 70 er Jahre des
vorigen Jahrhunderts sichtbar Zeugnis ablegten von der fleißigen Tätigkeit der holländischen Wasserbauer.
Für die Gestaltung der Umwallung im einzelnen waren nachstehende Gesichtspunkte maßgebend: einmal
die Größenverhältnisse der Bastionen, für die es bestimmte Normen gab, weiterhin der naheliegende Gedanke
der Verwertung der noch bestehenden alten Befestigung, an die, zunächst wohl aus Sparsamkeitsgründen, die neuen
Anlagen sich angliederten, und schließlich die topographischen Verhältnisse des Vorgeländes, die ein zu nahes
Herangehen an die das Spreetal im Norden begrenzende Hochfläche des Barnim verboten.
Den Kernpunkt der Umwallung bildeten die Bastionen oder Bollwerke mit fünfeckigem Grundriß. An der
Berliner Umgürtung wurden fünf Bastionen vorgesehen, die vom (alten) Stralower Tor im Bogen bis zur heutigen
Friedrichsbrückc führten. Anders an der Köllnischen Seite. Da sprach der Gedanke, für eine spätere Ausdehnung
des Stadtgebietes Spielraum zu lassen, für ein Hinausverlegen der Wälle. Die Rücksichtnahme auf die sich im Westen
vorbcreitendeAusbreitung, die in der Neustadt oderDorotheenstadt und späterhin in der Friedrichstadt sich bemerkbar
machte, ließ von einer Beschränkung auf Kölln absehen und legte, wie wir schon sahen, das Einbeziehen des durch
die Regulierung gewonnenen neuen Stadtteils, des „Friedrichswerders", in die Umwallung nahe. Dieser Ab-
schnitt erhielt dann achtBasteien, von denen Nr. 15 aus den damals noch durch einen Qucrarm abgetrennten Nord-
westzipsel der Insel Kölln (Museumsinsel) entfiel. Im ganzen also waren es 13 Basteien oder Bollwerke von
fünfeckiger Polygonform, die mit den sie verbindenden Courtinen Berlin, Kölln und den Friedrichswerder mit
einem Gürtel von annähernder Kreissorm umschlossen. Wie wenig diese Einengung dem wirklichen Ausdehnungs-
bcdürfnis des aufblühenden Gemeinwesens entsprach, werden wir später sehen.
Um das gewaltige Werk überhaupt durchzuführen, bedurfte es einer ringewöhnlichen Tatkraft und Ausdarier,
aber auch materieller Opfer, und darum ist es begreiflich, daß schwerwiegende Eingriffe in das Eigentumsrecht der
Bürger, der Gemeinden und des Kirchengutes und in die Verkehrsverhältnisse unvermeidlich waren. Die Span-
dauer, die St. Jürgen- und die Stralower Vorstadt wurden gänzlich beseitigt, wobei viele Häuser und Scheunen
abgerissen!und zahlreiche Gärten unter den sich auftürmenden Wällen begraben wurden. Mit Entschädigungen
dafür sah es bei den finanziellen Nöten des Landes traurig aus, und die Akten berichten von mannigfachen Klagen
der betroffenen Bürger. Als Beispiel führen wir eine Urkunde aus dem Fahre 1665 an, die sich beiFidicin:
Historisch-diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin, 1842, 4. Teil, S. 444, findet. Es heißt da:
„Alß Se. Churfl. Gnaden . . . vor hochnotig und nützlich erachtet, diese Residentz Berlin und Colln sambt dein
Werder zu befestigen, und eine Formal-Vestungk darauß zu machen, damit sowol die hiesigen Einwohner alß
auch die im gantzen Lande Gesessene von Adell und Landleute alhier sicher bleiben und ihre Zuflucht anhero nehmen
könnten, so hat die unumbgengliche Noht erfordert, daß die Vorstädte umb Berlin zum Theil sind weggebrochen,
zum Theil noch umb der Werke willen weggereumet werden müssen, gestalt denn mich des Raths zu Berlin Patri-
monialgüter theils getroffen, indehme die Lohe-, Walck- und Schneide-Mühlen sambt einer gantzen Gasse, der
Kupsergraben genandt, an dem Spandowschen Thore, wie auch die Ziegelscheune, Kalckofen sambt denen doppelten
Stadt- und Wassergraben undt denen zugehörigen Fischereyen sambt dem Garten-, Scheunen- und Heuser-Zinß
oder Schoß durch Abbrechen der Vorstädte verlohren und eingezogen worden, wodurch ihnen dan ei» ziemblicher
Abgangk an ihren Inlraden undt Einkunfsten causiret worden . . ."
 
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