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Der Bari irahm seinen Anfang am 25. März des Jahres 1658^) auf der Köttner Seite, im Herbst selbigen
Jahres auch auf der Berliner Seite, und zwar am Stralauer Tor bei der dortigen Bastion Nr. 8. Der Kurfürst be-
zeichnete selber die Stelle, wo der Bau anhub, und ritt täglich hinaus, um den Fortgang der Arbeiten zu verfolgen.
Die eigentliche Schanzarbeit verrichteten Soldaten, Bürger und Bauern, sogar die Dienerschaft des Fürsten
durfte sich an dem großen Werk aktiv beteiligen. Im ganzen waren es etwa 4000 Mann, die der Aufsicht des ge-
strengen General-Wachtmeisters Heinrich von Uffeln unterstanden. Im Jahre 1685 wurden auch 25 Gefangene
aus Spandau zum Festungsbau herangeholt. Durch die nerre Trassierung der Gräben wurden die alten Wasser-
läufe überflüssig und demzufolge beseitigt. Dazu mußten die zu Markte kommenden Bauern immer eine Fuhre
Schritt aus dem Innern der Stadt zur Ausfüllring des alten Grabens ans Tor bringen, ehe sie heimfahren durften.
Die Befestigung am Stralower Tor war 1660 beendet und der Rohbau vom Georgen-Tor bis zum Spandower
Tor fortgeführt.
Zwei Jahre später konnten bereits die alten Torposten in Festungstorwachen umgewandclt werden.
Während der Bau an der Berliner Seite mühelos vonstatten ging, hatte er an der Köttner Seite mit erheb-
lichen, durch das sumpfige Gelände bedingten Schwierigkeiten zu kämpfen, so daß dort der Fortgang mit der Ber-
liner Seite nicht Schritt hielt. Wenn heute infolge der vollständigen Bebauung dieses Bruchgeländes wenigstens
äußerlich keine Spuren mehr auf jenen sumpfigen Urzustand hindeuten, so besteht doch die Tatsache, daß die Fried-
richsstadt erst durch umfangreiche Aufschüttungen auf ihr heutiges Niveau gebracht worden ist und daß Brunnen-
bauten und Pfahlroste nötig waren, um den Untergrund erst baufähig zu gestalten.
Dennoch wußten Memhardt und seine Ingenieure der entgegenstehenden Schwierigkeiten Herr zu werden.
Bereits im Jahre 1666 war das Werk soweit gefördert, daß zu Ehren des Kurprinzen Karl Aemil (f 1674)
und seines Bruders Friedrich, des späteren ersten Preußenkönigs, von den Wällen mit Geschützen salutiert werden
konnte.
Im nämlichen Jahre wurde das gesamte Festungswesen der brandenburgischen Lande dem Generalquartier-
meister Philipp de Chieze unterstellt, der an Stelle des verstorbenen Generalwachtmeisters v. Trotha zum General-
direktor der Fortifikation ernannt wurde, und nach dessen Tode (1673) dem Generalquartiermeister-Leutnant
I. E. Blesendorf übertragen, der aber schon 1677 bei der Belagerung von Stettin fiel.
Als die Werke im Bau genügend fortgeschritten waren, um ihre besondere Ausstattung zu erhalten, ordnete
der Kurfürst 1672 mit Rücksicht auf die kriegerischen Verwicklungen mit Frankreich, die ein Eingreifen der Schweden
befürchten ließen, die Pallisadierung der Werke im NO an, d. h. die Einzäunung mit Pallisaden am Fuße der Bastionen
und Courtinen. Die dazu nötigen Baumstämme, zu denen die Wälder ringsum Berlin genügend Holz lieferten,
wurden aus dem Wasserwege befördert.
Da der Fürst in jener Zeit am Rhein weilte und 'ein Einfall der Schweden zu gewärtigen war, wies er den
Statthalter der Marken, den Fürsten von Anhalt, an, vorkommendenfalls die Stadt als Festung zu verteidigen
und die Bürgerschaft zur Hilfeleistung heranzuziehen. Erschienen die Schweden auch erst 1675 in der Mark, so
bot doch Berlin, obwohl seine Befestigungen noch nicht fertig waren, im Verein mit der Veste Spandau genügenden
Rückhalt für die brandenburgischen Streitkräfte, um den Feind von dem Vordringen in breiter Front nach
Süden abzuhalten, weil er sonst Gefahr lief, seine rückwärtigen Verbindungen zu gefährden. Dadurch erhielt
der Kurfürst Gelegenheit, am 18. Juni 1675 die schwedische Stellung im Zentrum bei Fehrbellin zu durchstoßen.
Im Jahre zuvor war die Schanzarbeit soweit gediehen, daß die Gräben an der köllnischen Seite und am Werder
zur Festigung mit Werkstücken ausgelegt werden konnten, eine Arbeit, die dann aus die Berliner Seite ausgedehnt
wurde.
So ging das große ^Unternehmen allmählich seiner Vollendung entgegen, und mit der Fertigstellung der
Bastionen und der sie verbindenden Courtinen aus der Köllnischen Seite im Fahre 1683 konnte der Anschluß an
die Berliner Werke erfolgen. In demselben Jahre erhielt die Umwallung am Werder als Krönung des Ganzen
das prächtige Leipziger Tor eingefügt, eine Schöpfung Johann Arnold Nerings, die in ihrem barocken Charakter
eigentlich aus dem gotischen Nahmen des altenBerlins Heraussiel und architektonisch etwas ganz Neues bedeutete.
Gar prunkvoll erhebt es sich in seiner barocken Erscheinung über die strengen Linien des Festungssystems
heraus. Seine überaus dekorativ wirkenden Embleme von Waffen, seine prunkende lateinische Inschrist, die über
die Taten des Großen Kurfürsten und die Befestigungen der Stadt berichtet, sind Belege für die Selbstverständlich-
keit, mit der das zierliebende Barock sich über das Gesetz der Zweckmäßigkeit hinwegsetzt. Auf einem Unterbau
von 8—9 Metern erhebt sich ein Aufbau von etwa 12 Meter Höhe, der mit ionischen Säulen und Pilastern um-
rahmt ist und die Inschrifttafel trägt. Ein von Trophäen und kauernden Sklaven bekrönter Bogengiebel schließt
ihn ab. Trophäen und gefesselte Sklaven schmücken auch die Brüstungen zu beiden Seiten des mittleren Ausbaus.
Das ist kein Festungstor nach unserer technisch geschulten Auffassung, nein, ein Triumphbogen für den Großen
Friedrich Wilhelm. Zn ihm findet der absolute Wille des Kurfürsten, seine Hauptstadt zum befestigten Mittelpunkt
seiner weit auseinander liegenden Lande zu gestalten, monumentalen Ausdruck (Abb. 1).
Heut steht an der Stelle, wo das Tor sich bis zum Abbruch im Jahre 1739 erhob, das Haus Niederwallstraße 12
(Friedrichswerdersche Oberrealschule).
§,Wir lassen nachstehend ein Verzeichnis der Bastionen und der Festungstore Berlins nach der Vollendung des
Festungsbaues folgen.
*) Nach der Wendlandschen Chronik von 1648—I7OI, S. 49 (Schriften des Vereins f. d. Geschichte Berlins, 1. Band, Heft I).
 
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