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von 1700 angedeutet. Entsprechende umfangreiche Ausbauten wurden auch im Norden noch geplant und de Bod
mit der Trassierung betraut, sie kamen aber nicht mehr zur Ausführung. Denn Berlins Festungszeit hatte ihren
Höhepunkt überschritten.
Hatte der kunstliebende erste Preußenkönig an dem imponierenden Festungsbild festgehalten, das in seiner
souveränen Geschlossenheit mit der dynastischen Prachtentfaltung im Einklang stand, so war Friedrich Wilhelm I.
angesichts der Notlage der Feit bei seinem Regierungsantritt nicht geneigt, sich aus kostspielige Erweiterungsbauten
einzulassen, die doch nur mehr dem Schein als wirklichem Bedürfnis zu dienen vermochten. Zudem hatte sich die
politische Lage zu ungunsten eines befestigten Berlins verschoben. Die polnische Gefahr war durch die Personal-
Union mit Sachsen so gut wie beseitigt, und Stettin war preußisch geworden. Damit war Preußen zweier
gewichtiger Gegner entledigt.
Zunächst siel das Hornwerk der Dorotheenstadt. Der Bauetat Berlins wurde von 16 300 Taler aus 6000 herab-
gesetzt. Durch Bepflanzen mit Maulbeerbäumen wurden die Wälle ihres kriegerischen Charakters entkleidet und
durften von Standespersonen zu Spaziergängen benutzt werden. Gleichwohl ward der Festungsdienst auch weiter-
hin in alter Gewissenhaftigkeit wahrgenommen, wenn er sich auch nur auf das Verhüten von Steuerhinterziehungen
und Desertionen beschränkte. Am militärischen Sinne aber verringerte sich der Wert der Festung immer mehr,
weil sich rings um das Glacis im Laufe der Zeit ein Kranz blühender Vorstädte anschmiegte, deren Häusermassen
die Werke maskierten. Alle diese Vorstädte, die Stralower, Königs-, Spandower und Oranienburger Vorstadt,
hatten keine Mauern, waren aber mit Gräben und Pallisaden abgegrenzt.
Eine eigentliche Belagerung hat Berlin nie erlebt.
Als sich die übrigens einzige Gelegenheit im 7 jährigen Kriege bot, die Festungswerke auf ihre Brauchbarkeit
hin einer Probe zu unterziehen, da war es zu spät. Die Festung als solche bestand nicht mehr, und ihre kümmer-
lichen Neste vermochten weder im Fahre 1767 Haddik, noch 1760 Tottleben nachhaltigen Widerstand zu leisten.
Die Geschütze dienten, falls nicht etwa die Lärmkanone das Entspringen eines Soldaten anzeigte, lediglich fried-
lichen Salutzwecken, der Freudenbezeigung über errungene Siege oder hohe Geburten und zur Begrüßung er-
lauchter Gäste. So wurde die feierliche Einholung des Königs am 6. Mai 1701 mit donnerndem Salut begangen
und der Einzug der großen Zacht am 8. März 1708 mit einer dreifachen Salve aus allen Stücken, „so auf den Wällen
um die Stadt herumstehen", begrüßt.
Zum letzten Male ertönte aus sämtlichen Geschützen der Salut im Jahre 1730 zu Ehren des Königs Stanislaus
Leszynski. Dann erstarb der kriegerische Gruß, um noch einmal, aber nur auf der Berliner Seite, im Fahre 1744
die Geburt des späteren Königs Friedrich Wilhelms II. Stadt und Land zu verkünden.
Friedrich der Große konnte unter den veränderten Ieitverhältnissen mir zu einem abfälligen Urteil über den
Wert unserer Festung kommen. Um so schneller ging es daher mit ihrer Herrlichkeit zu Ende. Die Wälle verfielen
und wurden abgetragen, und die Baulust konnte sich nunmehr auf freigegebenem fiskalischem Gebiete betätigen.
Aber die Wallgräben blieben lange noch erhalten, an ihrem Verlauf hob sich die Form der alten Befestigung deutlich
ab, wenigstens war das an der Berliner Seite der Fall. Am Friedrichswerder dagegen wurde die alte Graben-
sührung nicht beibehalten, sondern von der Jägerstraße ab derart abgerundet, daß die Gräben vor den Bollwerken
zugeschüttet und nur die an den Courtinen entlangsührenden beibehalten wurden, die dann mittels Durchstiche
der Bastionen unter sich verbunden wurden.*) Ihr Verbleiben gereichte aber dem Stadtinnern nicht zum Vorteil,
denn mit ihrem unbedeutenden Gefälle versumpften sie allgemach und machten sich durch ihre Ausdünstungen
unliebsam bemerkbar. So bildeten der Königsgraben und der Grüne Graben eine Quelle ewiger Sorgen und
Belästigungen, bis beide in den Jahren 1876—80 endlich zugeschüttet wurden. Heute erinnert noch der gewundene
Laus der Stadtbahn, die 1882 im Zuge des früheren Königsgrabens errichtet wurde, zwischen den Bahnhöfen
Jannowitzbrücke und Börse an jene Tage. Auch einige Straßennamen, wie Wallstraße, Ober- und Niederwallstraße,
„Am Festungsgraben" halten das Gedenken daran noch wach. Ein wirkliches Überbleibsel ist in der Anhöhe zu
erblicken, die, hinter dem Märkischen Museum belegen, einen Teil des früher zu der „Loge zu den 3 Weltkugeln"
gehörigen Köllnischen Parkes bildet,' sie ist der Überrest der Bastion Nr. 7, des „Bollwerks im Morast".
Wenige Schritte davon finden wir ein weiteres Erinnerungsmal an Berlins Festungszeit in dem „Wuster-
hausenschen Bär", einem kleinen runden Turm, der zum Schutze des den Spreearm abschließenden Wehrs
vorgesehen war. Solcher Wehre oder Bären gab es vier im ganzen, nämlich je zwei am Königsgraben und am
Grünen Graben (am Einfluß und am Ausfluß je einen). Unser Bür stand ehemals am Cöpenicker Tor und ward
1893 nach dem Köllnischen Park verseht, als er für die Befestigungen überflüssig geworden war. Er stand ehedem
inmitten des oben spitz abgeschrägten Wehrs, um den Übergang des Feindes zu vereiteln. Zu dick, um umspannt zu
werden, zu hoch, um überklettert zu werden, bot seine Masse, wenn eingeschossen, zu wenig Material, um den
Graben auszufüllen und dadurch passierbar zu machen.
(Aus dem Schultzschen Plan ist das Wehr zu sehen, das bei Bastion 7 über den Graben nach dem
bedeckten Wege ging und in der Mitte'den Bären mit der Inschrift „Wusterhausischer Bär 1718" trug. Dies
Wehr muß also entweder 1718 ausgebessert oder wiederhergestellt worden sein. Zu Anfang des vorigen
Jahrhunderts war der Graben bereits durch Zuschüttung in seiner Breite derart eingeengt, daß der Bär an Land
stand (Neue Zakobstraße 10s. Von da ward er 1892 nach seinem jetzigen Platz am Köllnischen Park übergeführt.)
Beim Bau der A.-E.-G.-Schnellbahn wurden 1916 in der Nähe des Stralauer Tors Reste der kurfürstlichen Stadt-

*) Auf jenen Linien fußten auch die Umgrenzungen der Kirchspiele. Diese Grenzen gestatten anderseits nach der späteren
Zuschüttung der Gräben Rückschlüsse auf deren Führung.
 
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