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re Heizvorrichtungen der Burgen im Mittelalter.
Bon Reg.- und Baurat a. D. Hasak, Berlin-Grunewald.
„Du muost nun phiesel eiten und muost schüren selbe die brande"
befiehlt die schlimme Gerlint der armen Gudrun, als diese sich weigert, ihrem Sohne die Hand
zu reichen.
„... Du muost uf den sne und muost die kleider waschen in den küelen winden, so du dich
dicke gerne in dem p h i e s e l g a d e m a liegest vinden."
Später wird nach den Mädchen geschickt:
„in ir p h i e s e l g a d e in e ensol in deheiniu beliben." —
Was war der P h i e s e l g a d e m in den Burgen und wie wurde der P h i e s e l geheizt? — Bis zu meinen
diesbezüglichen Abhandlungen*) war keine Erklärung gelungen. Du Cange übersetzt das entsprechende Wort
pisali8 in seinem Wörterbuch mit Kleiderkammer. Das trifft nicht zu. Zn den langobardischen Baugesetzen des
Königs Liutprand (f 744) heißt das Wort pisili'8*).
„8i vero turno in p i 8 i l e eum csccubo8 teeerit . . ." (Wenn er aber den Ofen im Pisilis aus Kacheln ge-
macht hat . . .)
In den Statuta antiqua ^.bbatiae Laneti ?etri corbeien3i8 — 822 — heißt das Wort piselo:
„Lap. VI. 8 i autem üiem 8 tuerit et Lalekaeienckj uece88ita8 inZrusrit, prout
ei gui praee8t vi8um tuerit, 8ive ante, 8eu po8t peractum otticium aliguock intervallum tiat, quancko 8eeale-
tacere po 8 8 int . . . Inpi8elo vero, tempore quancko lllo uti nee6S8ö e 8 t . . .
(L?ap. tz. Wenn es aber Winter ist und die Notwendigkeit warmzumachen eintritt, soweit dies dem Vorsteher
scheint, ist entweder vor oder nach vollendetem Gottesdienst eine Pause zu machen, in der sie sich wärmen
können ' . . Fm Pisel aber zur Zeit, wenn seine Benutzung nötig ist . . .)
Im Grundriß von St. Gallen, welcher um 830 entstanden sein wird, ist im Novizen- wie im Krankenhaus ein
Raum mit pi 8 aIi 8 bezeichnet.*) Seitlich davon ist je ein cammu8 —die Heizkammer —und ein exitu8 tumi —
der Schornstein —angebaut. Auch der große Schlafsaal daselbst heißt pi8ali8, denn der Gang, welcher aus diesem
ckormitorium in das balneatormm et lavancki Iocu8 führt, heißt e^re88U8 cke pi 8 aIe (Ausgang aus dem Pisal).
In diesen Schlafsal selbst ist eingeschrieben 8 ubtu 8 LLletaLtoriL ckom. 8upra ckormitorium (unten Heiz-
kammer, darüber Schlafsaal). Daneben ist wiederum der esmmu8 sck eslekscieuckum und die evuporutio tumi
eingezeichnet.
Diese Heizungsart stammt ersichtlich von den Hypokausten der Römer. Auch der Tegcrnseer Mönch Frou-
mund schreibt in seinen Boethiusglossen (10. Jahrhundert): Lpzwuu8tsrium i. p i 8 u I e. — Die Heizung lag wie bei
den Römern unter dem Fußboden. Doch gibt man sich über die römischen Fußbodenheizungen (Abb. Vitruv)
völlig irrigen Vorstellungen hin. Man meint, der Fußboden sei erwärmt worden, und dieser habe die Zimmerlust
ungeheizt. Das war nur in den Schwitzbädern der Fall. In den Wohnrüumen verbietet sich eine solche Beheizung,
weil der menschliche Fuß auf die Dauer nicht viel über 23° Wärme ertragen kann. Daher sind die Fußböden der so
vielfach erhaltenen Römervillen diesseits der Alpen über solchen Hypokausten sehr stark, zumeist 2 Fuß, so daß
beträchtliche Erwärmung verhindert war. Die Beheizung geschah folgendermaßen: Der niedrige Keller unter
dem Fußboden, welcher eine große Zahl Pseilerchen enthielt, die den Fußboden trugen, wurde durch Holzkohlen
zur Glut gebracht. Dann wurde die Heizöfsnung, das pruekurnium des Vitruv und der esminu8 der Luleksctoria
des St. Gallener Grundrisses, geschlossen und durch eine andere seitliche Öffnung frische Lust in den glühenden
Unterraum eingelassen. Im Fußboden des darüberliegenden Raumes befanden sich Löcher mit Klappen oder
Deckeln, durch welche diese vorgewärmte Luft einströmte. War der Raun: warm genug, schloß man die Klappen.
Das war also eine richtige Luftheizung unserer Zeit. Außerdem war der Wohnraum ringsum in Menschenhöhe
mit Hohlziegeln ausgesetzt, wohl die cuccubo8 aus Liutprands Baugesetzen, in deren Hohlräume die heiße Luft
von unten Hineinstieg. So wirkten die Wände ringsum auf das angenehmste wie ein Kachelofen. Da die Fußböden
über den Pfeilerchen frei schwebten, so hießen sie nach Vitruv pen8iles, die betreffenden Bäder bulinese pen8ile8.
Aus pen8il>5 ist ersichtlich pi8ili8, p>8eIo und pi8uli8 geworden. Manchmal schreibt einer auch piruli8, wohl um sich
das ihm unverständliche Wort aus dein griechischen Wort für Feuer zu erklären. In Friesland heißt in den Bauern-
häusern heute noch das beste Zimmer Phisel, wenn es auch längst keine Heizung unter dem Fußboden mehr auf-
weist. In der Ma rienburg, dem Hochmeisterschloß des Deutschen Ordens, hat sich eine ausgedehnte P hi e sei-
he i z u n g erhalten. Im Antergeschoh werden in einer Heizkammer Granitblöcke glühend gemacht und die heiße
Lust steigt durch Kanäle hinauf in den Saal. Die Hitze soll sich bis zu 14 Tagen aufspeichern lassen.
Das Phiesel war die eine Art der Beheizung in den Burgen. Die zweite Art der Heizungsanlagen waren
dieKamin e. Diese haben sich fast in jeder Burg erhalten. Die Räume, die mit ihnen beheizt waren, hießen
davon Kummets, K e in m enaten. Auch im Grundriß von St. Gallen sehen wir die meisten Wohnräume ver-
mittelst Kaminen erheizt, welche in den Ecken der Zimmer rund eingebaut sind. Daß die Kamine nicht bloß kleinere
Räume erheizten, sondern auch große Säle, in den Schlössern wie in den Rathäusern, daß sie dann in der Mitte
der Wände standen, zeigen zahlreiche der großartigsten Prunkstücke. Eine der ältesten solcher Prachtkamine
ist in der Gelnhauser Barbarossaburg teilweis erhalten von rd. 1180. Eine dritte Art der Beheizung war die
Herdheizung. Fm St. Gallener Grundriß bieten diese Herdanlagen ganz unerwartete und ungeahnte

*) Hasak, Der Kirchenbau des Mittelalters, Leipzig 1913; und Die romanische und die gotische Baukunst, Stuttgart 1902.
 
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