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Der Handel zieht die Mission nach sich, die Mission den kriegerischen Vorstoß, dem die organisierte Kirche
ans dem Fuße folgt. In Preußen geht die bürgerliche Ansiedlung an wichtigen Handelsplätzen: Thorn,
Kulm, Elbing, Königsberg usw. der bäuerlichen um mehrere Menschenalter voran. Ich mochte meinen,
daß der Gang der Dinge auch in der Mark so gewesen ist. Wichtige Handelsplätze werden zuerst erobert
(wenn auch nicht gleich politisch, so doch kulturell, wie z B.. Danzig), dann folgt die bäuerliche Ansiedlung
und diese gibt Gelegenheit zu neuen Marktorten und Städten. Um diese Fragen endgültig zu entscheiden,
müssen eben auch die anderen deutschen Kolonisationsgebiete in eben der gründlichen Weise, wie Siedler
das märkische bearbeitet hat, erforscht werden; durch Vergleichung und Schlußfolgerung aus den
verschiedenen Gebieten kann sich erst die richtige Lösung ergeben.
Sehr richtig unterscheidet Siedler zwei Typen von Städten des Kolonisationsgebietes: die gewordene
Stadt, die sich allmählich ans anderen Siedelungen, zumeist Suburbien im Schutze von Burgen (man
könnte diese Art Siedlungen nach preußischem Vorbilds als Lischken bezeichnen) entwickeln, und die ge-
gründete Stadt, die aus heiler Wurzel mit vorgefaßter Absicht geschaffen wird. Er ist der Ansicht, daß
die letztere Art ausschließlich der zweiten Siedlungsepoche angehört.


Die entscheidende Bedeutung für die Stadtplanung schreibt Siedler in jeder Beziehung der durch-
gehenden Heerstraße zu. Er geht darin soweit, daß er selbst die Entstehung des deutschen Straßen- und
Ängerdorfes in erster Linie in der Rücksicht auf die Straße, auf der die Siedler herangezogen waren,
finden will. Das geht entschieden zu weit. Die überwiegende Anzahl der deutschen Straßen- und Anger-
dörfer lag und liegt gar nicht an durchgehenden Verkehrsstraßen und hat nur die nötigen Verbindungs-
straßen mit der Nachbarschaft. Die Gestaltung der Straßen- und Angerdörfer ist vielmehr durch den
eigenen Wirtschaftsbetrieb, den Flurzwang und die Viehhaltung bestimmt. Ich möchte hier Bezug nehmen
ans die vortreffliche Darstellung, die Robert Stein im 1. Bande seines Werkes über die Agrarverfassung
Ostpreußens, S. 387 ff. von dem deutschen Bauerndorfe in Ostpreußen gegeben hat. Selbst manche kleine
Kolonialstadt unterliegt in ihrer Planung zweifellos nicht so sehr der Rücksicht auf die durchgehende
Straße. Es sprechen da doch sehr viele andere Momente mit: Bodenbeschaffenheit, Verteidigungsfähigkeit -
deren Berücksichtigung ich Siedler nicht absprechsn will — und wirtschaftliche Bedingungen aller Art. Auch
bedeutende Verkehrsstraßen ließen sich bei der Stadtplanung oft genug so leiten, daß der Durchgang durch
die Stadt nicht den allein maßgebenden Einfluß auf die Führung der Stadtstraßen selbst haben mußte.
Daß dieser Einfluß oft sehr groß war, soll natürlich keineswegs geleugnet werden.
 
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