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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 31.1930

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Nr. 3/6
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Nonn, Konrad: Die Schweizer Burgenfahrt 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.35020#0032
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zu dem hohen Sinn, welcher aus dem überall sichtbaren Willen spräche, die Kulturgüter der Vergangenheit zu wahren.
Schmerzlich müssen wir Reichsdeutsche diesen Zustand mit dem unsrigen vergleichen. Wenn wir auch die deutsche
Grenze überschritten haben, so befinden wir uns doch aus deutschem Kulturboden, der uns außerdem ganz besonders
nahe steht. Vor wem erheben sich nicht im Gedenken an die Schweiz die Jdealgestalten der Tell, Winkelried und
Attinghausen! Mögen sie auch nie wirklich gelebt haben, möge auch nie ein Geßler zur Zeit Albrecht's gewütet
haben, der deutsche Dichter hat uns und der Welt den Geist lebendig erhalten, der in diesen freien Bergen heimisch
und urwüchsig ist. Tatsächlich ist die Schweiz seit 1499 unabhängig und ihr Stolz auf diese Freiheit hat den Dichter
beseelt und ihn befähigt, mit dem gleichen Geiste das schon einmal tief darniederliegende Deutschland zu befruchten
und zu neuem Leben zu erwecken. — So nehmen auch wir Burgenfahrer heute aus der schönen Schweiz die gleichen
tiefen seelischen Antriebe mit, welche den deutschen Dichter, der diese Bergesmajestäten selbst nie zu Gesicht bekam,
schon aus der Ferne zu seinen seherischen Dichtungen begeisterten. Der Gedanke an die freie Schweiz einte die Bur-
genfahrer und ihre Gastgeber.


Abb. 14. Burg Gruysres, Schlafzimmer.
Nach kurzem Aufenthalt in Winterthur kamen wir zur Kyburg. Sie ist als der eigentliche Kernbesitz der Habs-
burger anzusehen. Die Herrschaft Kyburg umgriff, als Rudolf von Habsburg den Besitz dieses reichen Erbes antrat, weite
Gebiete, die vom Rhein bis zum Genfer See sich erstreckten. Eigentlich sollte daher jenes Sprichwort vom glücklichen
Heiratserwerb zuerst auf die Grafen von Kyburg und dann erst auf die Habsburger angewendet werden, die dank dem
Äussterben des Geschlechtes und eines glücklich verlaufenen Erbschaftsprozesses den gesamten Besitz an sich brachten.
Kyburg wird erstmalig im Jahre 1027 erwähnt in den Kämpfen, die Herzog Ernst von Schwaben gegen seinen
Stiefvater Konrad II. führte. Der Besitzer der Kyburg war sein Kampfgenosse. Wer er eigentlich war, wird nicht
erwähnt. Darauf kam die Burg auf unbekannte Weise an die Grafen von Ober-Winterthur. Vielleicht wurde die
Kyburg dem aufrührerisch gewesenen Besitzer bzw. dessen Erben von Konrad II. abgenommen und einem getreuen
Lehnsmanne übergeben. Von da an wurde die Burg nicht mehr erobert, sondern geheiratet. Hartmann von Dil-
lingen ist der erste in der Reihe. Der Besitz mehrt sich durch reiche Eheschließungen in einem Maße, daß nach dem
Vorbilde der Herzöge von Zähringen die Kyburger Grafen in ihrem weiten Gebiete Marktplätze und Städte be-
festigen, um den Besitz zu sichern. So entstanden die Städte Diessenhofen, Frauenfeld, Zug und Winterthur (vgl.
Lehmann, Die Kyburg und ihre Umgebung. Verlag der Baudirektion des Kantons Zürich).
Im weiteren Laufe der Entwicklung kamen auf gleiche Weise durch Heirat mit der Erbin Anna aus dem Hause
Zähringen die Zähringer Güter hinzu. Die Grafen von Kyburg erhielten dank ihrer Macht die Rechte als Reichs-
vögte über Städte wie Zürich, Freiburg und andere mehr. Unter Ulrich III. von Kyburg erreichte diese Entwicklung
den Höhepunkt. Ein Enkel Ulrichs, Hartmann der Jüngere, teilte dann den Besitz mit seinem Onkel Hartmann dem
Älteren, indem sie ihn gemeinsam verwalteten. Dieser starb kinderlos, aber er hatte — Wohl aus politischer Vorsicht —
sein Erbe dem Bischof von Straßburg verschrieben. Als nun die Tochter Hartmanns des Jüngeren, die an Eberhardt
von Habsburg vermählt war, eines Tages ihre Nachkommen als einzige Erben des Kyburgischen Besitzes sah, konnte
 
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