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Unsere Besichtigungen wurden in schönster Weise ergänzt durch die Vorträge, welche uns während und nach der
Festtafel im Hotel Steinbock dargebracht wurden. Herr Stadtpräsident vr. Nadig begrüßte uns im Aufträge der
Kantonsregierung, der Rätischen Bahn und der Stadt Chur. Das gegenwärtige Bild des Kantones ist ein wesent-
lich anderes als in früheren Jahrhunderten. Damals ging der Hauptverkehr zwischen Italien und Deutschland über
den Bernhardinpaß, der aber seit der Eröffnung der Gotthardtbahn selbstverständlich vollständig aufgehört hat. So
war der Kanton Graubünden um seinen Lebensnerv gebracht. Chur hatte aufgehört, eine Talsperre zwischen zwei
Welten zu sein. Aber die Gründung der Rätischen Bahn, welche die Aufgabe der Erschließung der 150 Nebentäler
übernommen hatte, brachte neues Leben. Heute werden offene Türen gesucht und Anschluß an die Nachbarkantone.
Aber auch in früheren Jahrhunderten hatte sich der Verkehrsweg auch schon als ein geistiges Bindemittel erwiesen
und nicht allein als ein Kampfobjekt, das gegen die beiden Nachbarn gehalten werden mußte. Der Herr Präsident
der Historischen Gesellschaft, vr. Pieth, entwickelte uns in Fortsetzung der verkehrspolitischen Gesichtspunkte, welche
sein Vorredner dargelegt hatte, diese Beziehungen, welche gerade für uns Reichsdeutsche in künstlerischer Weise be-
deutsam sind.
Die Geschichte Graubündens hat eine Bedeutung über die Lokalgeschichte hinaus, Di. A. M. Zendralli hat
aus diesem großen historischen Gedankenkreise heraus eine Arbeit über Graubündener Baumeister veröffent-
licht, die in der Barock- und Rokokozeit von ihrer engeren Heimat aus fast ganz Deutschland mit ihrer Kunst als
Stukkaturen befruchteten. Wenig war bisher von dieser Tätigkeit bekannt. Durch emsige Forschung sind ganze Ge-
schlechterreihen dieser Künstler nachgewiesen worden, mehr noch, ihre Tätigkeit in Deutschland ist genau verzeichnet,
so daß wir überrascht unsere Graubündner in fast ganz Deutschland tätig sehen und die oft unerhört reichen und form-
schönen Decken und Wände in Kirchen und Palästen jetzt genau den Urhebern zuschreiben können. (Or. A. M. Zen-
dralli, Graubündner Baumeister und Stukkaturen in deutscheil Landen zur Barock- und Rokokozeit. Verlag Fretz
L Wasmuth, Zürich.) Wir sind daher kulturell an die Bündner stark verschuldet. Aber der Redner erinnerte auch
liebenswürdig daran, daß wohl alle Bündner, die akademische Studien getrieben hätten, auch Gäste an deutschen
Hochschulen gewesen seien, wie er selbst.
Mit höchstem Interesse, leider aber wohl meistens ohne ein Wort zu verstehen, versuchten wir dem Vortrage
Mischer Prosa und Gedichte zu folgen, die unser liebenswürdiger Führer durch den Dom uns sodann vortrug. Das
sprühende romanische Temperament der Sprache ließ die Gestalt des Graubündner Nationalhelden Jürg Jenatsch
vor unserem geistigen Auge erstehen, dessen feurige Erscheinung dem Lande in trübsten Zeiten zum Erretter wurde,
der mit unerhörtem diplomatischem Geschick in den Lauf der Geschichte eingriff und ein von Leidenschaften umbraustes
Eilde fand, wie er leidenschaftlich gelebt hatte.
Herr Geheimrat Ebhardt dankte mit warmen Worten für den überaus herzlichen Empfang, den unsere Grau-
bündner Gastgeber uns überraschend bereitet hatten. Das geistige Band mit Graubünden ist schon durch Konrad
Ferdinand Meyer geknüpft worden, der in seinem prächtigen Roman uns den Helden des Landes lebendig er-
halten hat. Dies Volk von Schrot und Korn steht uns innerlich nahe, gerade in der heutigen Zeit tiefster Er-
niedrigung Deutsch-
lands sehen wir mit
Sehnsucht nach Män-
nern aus, welche auch
das Geschick unserer
Heimat mit Kühn-
heit und Opfermut
wieder zum Guten
wenden werden, so-
bald die Zeit dafür
reif ist. Mit Ehrfurcht
gedenken wir der
schweizerischen Män-
ner, die für Deutsch
land im Weltkriege ge-
fallen sind, mit Ehr-
furcht beugen wir uns
vor der Mutter des
gefallenen jungen
Salis, die unter den
Anwesenden weilte,
um mit denen zu-
sammen zu sein, für
die ihr Sohn sein
Leben gab.
Abb. 16. Schloß Marschlins bei Landquart (Graubünden).
Unsere Besichtigungen wurden in schönster Weise ergänzt durch die Vorträge, welche uns während und nach der
Festtafel im Hotel Steinbock dargebracht wurden. Herr Stadtpräsident vr. Nadig begrüßte uns im Aufträge der
Kantonsregierung, der Rätischen Bahn und der Stadt Chur. Das gegenwärtige Bild des Kantones ist ein wesent-
lich anderes als in früheren Jahrhunderten. Damals ging der Hauptverkehr zwischen Italien und Deutschland über
den Bernhardinpaß, der aber seit der Eröffnung der Gotthardtbahn selbstverständlich vollständig aufgehört hat. So
war der Kanton Graubünden um seinen Lebensnerv gebracht. Chur hatte aufgehört, eine Talsperre zwischen zwei
Welten zu sein. Aber die Gründung der Rätischen Bahn, welche die Aufgabe der Erschließung der 150 Nebentäler
übernommen hatte, brachte neues Leben. Heute werden offene Türen gesucht und Anschluß an die Nachbarkantone.
Aber auch in früheren Jahrhunderten hatte sich der Verkehrsweg auch schon als ein geistiges Bindemittel erwiesen
und nicht allein als ein Kampfobjekt, das gegen die beiden Nachbarn gehalten werden mußte. Der Herr Präsident
der Historischen Gesellschaft, vr. Pieth, entwickelte uns in Fortsetzung der verkehrspolitischen Gesichtspunkte, welche
sein Vorredner dargelegt hatte, diese Beziehungen, welche gerade für uns Reichsdeutsche in künstlerischer Weise be-
deutsam sind.
Die Geschichte Graubündens hat eine Bedeutung über die Lokalgeschichte hinaus, Di. A. M. Zendralli hat
aus diesem großen historischen Gedankenkreise heraus eine Arbeit über Graubündener Baumeister veröffent-
licht, die in der Barock- und Rokokozeit von ihrer engeren Heimat aus fast ganz Deutschland mit ihrer Kunst als
Stukkaturen befruchteten. Wenig war bisher von dieser Tätigkeit bekannt. Durch emsige Forschung sind ganze Ge-
schlechterreihen dieser Künstler nachgewiesen worden, mehr noch, ihre Tätigkeit in Deutschland ist genau verzeichnet,
so daß wir überrascht unsere Graubündner in fast ganz Deutschland tätig sehen und die oft unerhört reichen und form-
schönen Decken und Wände in Kirchen und Palästen jetzt genau den Urhebern zuschreiben können. (Or. A. M. Zen-
dralli, Graubündner Baumeister und Stukkaturen in deutscheil Landen zur Barock- und Rokokozeit. Verlag Fretz
L Wasmuth, Zürich.) Wir sind daher kulturell an die Bündner stark verschuldet. Aber der Redner erinnerte auch
liebenswürdig daran, daß wohl alle Bündner, die akademische Studien getrieben hätten, auch Gäste an deutschen
Hochschulen gewesen seien, wie er selbst.
Mit höchstem Interesse, leider aber wohl meistens ohne ein Wort zu verstehen, versuchten wir dem Vortrage
Mischer Prosa und Gedichte zu folgen, die unser liebenswürdiger Führer durch den Dom uns sodann vortrug. Das
sprühende romanische Temperament der Sprache ließ die Gestalt des Graubündner Nationalhelden Jürg Jenatsch
vor unserem geistigen Auge erstehen, dessen feurige Erscheinung dem Lande in trübsten Zeiten zum Erretter wurde,
der mit unerhörtem diplomatischem Geschick in den Lauf der Geschichte eingriff und ein von Leidenschaften umbraustes
Eilde fand, wie er leidenschaftlich gelebt hatte.
Herr Geheimrat Ebhardt dankte mit warmen Worten für den überaus herzlichen Empfang, den unsere Grau-
bündner Gastgeber uns überraschend bereitet hatten. Das geistige Band mit Graubünden ist schon durch Konrad
Ferdinand Meyer geknüpft worden, der in seinem prächtigen Roman uns den Helden des Landes lebendig er-
halten hat. Dies Volk von Schrot und Korn steht uns innerlich nahe, gerade in der heutigen Zeit tiefster Er-
niedrigung Deutsch-
lands sehen wir mit
Sehnsucht nach Män-
nern aus, welche auch
das Geschick unserer
Heimat mit Kühn-
heit und Opfermut
wieder zum Guten
wenden werden, so-
bald die Zeit dafür
reif ist. Mit Ehrfurcht
gedenken wir der
schweizerischen Män-
ner, die für Deutsch
land im Weltkriege ge-
fallen sind, mit Ehr-
furcht beugen wir uns
vor der Mutter des
gefallenen jungen
Salis, die unter den
Anwesenden weilte,
um mit denen zu-
sammen zu sein, für
die ihr Sohn sein
Leben gab.
Abb. 16. Schloß Marschlins bei Landquart (Graubünden).