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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 31.1930

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Nr. 3/6
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Nonn, Konrad: Die Schweizer Burgenfahrt 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.35020#0037
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27

Vierter Tag.
St. Bernhardin-
paß— Mesocco —
Bellinzona-
Locarno.
Der vierte Tag
war für die Fahrtim
Auto über die alte
Paßstraße des St.
Bernhardino vorge-
sehen und vom herr-
lichsten Wetter be-
günstigt. Seit der
Durchbrechung des
Gotthardtmassivs
durch einen Bahn-
tunnel war die alte
Heerstraße für den
großen Verkehr aus-
geschaltet. Heute
wird sie wieder in
vermehrtem Maße
von Postautos be-
fahren. Die ganze
Romantik der alten Poststraße ist erhalten geblieben, man könnte von einem Verkehrsdcnkmalsprechen und es wäre ebenso
bedauerlich wie unnötig, dies Erinnerungsstück zu beseitigen. Unsere mächtigen Wagen wurden glänzend von den
erfahrensten Chauffeuren der Postverwaltung gesteuert, deren Sicherheit und Ruhe vollstes Lob verdient. Sie sind
sicherlich nicht weniger gewandt wie ihre Vorgänger, die die vielgespannigen Pferdefuhrwerke um die harten und
steilen Kurven zu lenken hatten. Diese Kehren zwischen dem Hospiz und Hinterrhein werden allen Burgenfahrern in
der Erinnerung bleiben, auch denen, die lieber die Augen schlossen, wenn der Blick von dem schwankenden Koloß un-
gehemmt in die Tiefe reichte und das schwache Geländer am Wege sicher einem Ausrutichen des Wagens nicht
standgehalten hätte.
Vorher,^ in Thusis, wurde in einer der alten Postausspannungen haltgemacht. Der Platz wimmelte von Fuhr-
werken, abgesehen von unseren mächtigen Tourenautos; das lebhafte Getriebe einer alten Poststation mit allem
hübschen Drum und Dran und die Spannung auf das bevorstehende Erlebnis der Via Nala beherrschten die Stim-
mung. Aber ein energischer Pfiff auf der Führerflöte des unerbittlichen Burgenvaters brachte unser Gewimmel
schnell wieder zusammen, und weiter ging es, bis sich die Straße immer schneller verengte und wir den Hinterrhein
eingezwüngt tief unter uns in immer neuen überraschenden Durchblicken sich durch das Urgestein winden sahen. Auf
der zweiten Brücke quer über der Schlucht der Via Nala gestattete eiu Halt von einer halben Stunde vollen Genuß
des einzigen Schauspiels der Natur. Kurz vor dem Dorfe Zillis öffnet sich die Enge wieder zu einem breiteren Tale,
um kurz hinter Andeer noch einmal sich zu schließen. Der Weg führt indes in einem größeren Abstande am Flusse
hoch über ihm vorüber, der Eindruck der Via Nala wird nicht mehr erreicht.
Durch Splügen hindurch, den Weg zum Splügenpaß links liegen lassend, ging's über Nufenen zum Dorfe
Hinterrhein, von wo nun der Aufstieg zum St. Bernhardinpaß erfolgte.
Von Windung zu Windung zeigt die Natur ein anderes Gesicht; die Bäume treten zurück, die kurzstämmige
Alpenrose in vollprangender, tief dunkelroter Blütenpracht schmückt mit ihrer herben Schönheit die dürftiger und
dürftiger bewachsenen Hänge, bis schließlich auf der Höhe des Passes der kahle Felsen, nur von knappem Moos bedeckt,
die Landschaft noch allein beherrscht... Rechts und links vom breiten Sattel des Passes türmen sich die Berge, am
Fuße wachsen Halden von Geröll empor: Brachts Gestade der Vergessenheit würden hier gemalt sein können, wenn
nicht das schmale Band der Straße mit einem Schwarm von Wanderern und Wagen den unvermeidlichen Menschen
auch hierhin tragen würde.
Auf den Bergen ist Freiheit! Der Hauch der Grüfte
Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte;
Die Welt ist vollkommen überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.
Ganz recht hat nun Alexander von Humboldt freilich nicht mit diesen Strophen, die er seinen Ansichten der Natur
vorausschickt. Ein lustiger Schwarm von gesunden, kräftigen, jungen Menschen, ein Schweizer Lehrerseminar mit
 
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