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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 31.1930

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Nr. 3/6
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Nonn, Konrad: Die Schweizer Burgenfahrt 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.35020#0043
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genossen. Den Schluß bildete eine Besichtigung des Domes, wo uns noch der Genuß eines Orgelvortrages des
hochwürdigen Herrn Abbs Bovet überraschte, der am Abend vorher auch den Volksliederchor geleitet hatte.
Weiter ging's dann über Payerne nach Estavayer-le-Lac, am Neuenburger See. Hier übernahm wieder der
Präsident der Kommission für die historischen Denkmale, Herr Prof. Naef, die Führung und bewies uns von neuem,
mit welcher geradezu ungeheuren Fülle an Wissen und Liebe zur Sache diese Schätze von ihm und seinen Mitarbeitern
gepflegt werden. Jeder Stein war ihm bekannt und Gegenstand einer besonderen Geschichte und eines besonderen
Erlebnisses bei der Auffindung. Bis in alle kleinsten Einzelheiten hinein wurden die steinernen Urkunden bewahrt
und geschützt, eine für jeden Kenner bewunderungswürdige Leistung. Der älteste Teil der Stadt ist durch prähisto-
rische Funde bereits als ein Fluchtplatz belegt, so daß sich sein Ausbau als befestigte Stadt naturgemäß vollzog. Der
See reichte ursprünglich bis hart an die Mauern, die Seeseite war daher nicht besonders befestigt.
Der Tagesplan war wieder so umfangreich ausgestattet, daß wir nur eine leider viel zu kurze Zeit in dem Orte
verweilen konnten. Auch das römische Theater konnte nur durch einen flüchtigen Blick gestreift werden. Wir kehrten
nach Payerne zurück, wo nach einer Mittagspause die Abteikirche besucht wurde. Hier sahen wir die Architekten in


Abb. 20. Murten, Blick auf die Stadtmauern und Mauertürme.
voller Arbeit an einer durchgreifenden Wiederherstellung. In den Gewölben des Schlosses gab's wieder einen Ehren-
trunk unmittelbar vom Faß. Im Eiltempo ging's weiter nach Avenches. An beiden Orten hatte Herr Architekt
Louis Boss et die Führung. Avenches zeichnet sich durch ein besonders feines Schlößchen aus, das bis in die Re-
naissancezeit hinein bauliche interessante Entwicklungsvorgänge erkennen läßt. Römische Reste sind auch hier vorhanden.
Den Höhepunkt des Tages und den Abschluß unserer Besichtigungen bildete Murten, das noch wie zu des
alten Merians Zeiten vor uns stand. Wir hatten hier Muße, uns eingehend mit Wällen und Türmen und den Gassen
der Stadt zu beschäftigen und überall umherzuwanderu. Man kann auf der Mauer auch heute noch die ganze Stadt
umschreiten. Laubengäuge begleiten die Straßen, ein höchst malerisches und feines Städtchen. In der Schlacht
bei Murten am 22. Juni 1476 schlugen die Eidgenossen Karl den Kühnen, Herzog von Burgund, und fügten damit
einen der maßgebendsten Schlachtenerfolge in den Ruhmeskranz der Geschichte ihrer Selbständigkeit.
Mit dem Besuch dieses Erinnerungsortes endete nun auch unsere „Burgenfahrt", und wir eilten dem Abschluß
der Reise, der Schlußfeier in Bern, entgegen. Hier fand noch einmal eine feierliche Kundgebung zwischen den Burgen-
fahrern und den Spitzen der Behörden statt, die ein besonders würdiger und erhebender Abschluß unserer Reise war.
Der Regierungspräsident des Kantons Bern, Herr vr. Dürrenmatt, dankte im Namen des Kantons und der Stadt,
daß wir die Schweiz als Reiseziel gewählt hatten. Wir hätten auf unserer Reise von allem Besonderen etwas gesehen,
was die Schweiz zu bieten habe. Auch abseits vom Fremdenstrom hatten wir Einblicke in das schwere Wirtschafts-
ringen erhalten, in dem auch die Schweiz in dieser Krisenzeit sich befindet. Alle Plätze gehörten einst gemeinsam
unter deutschen Herrschern dem Heiligen Römischen Reiche an. Das sei auch heute noch ein Band, dessen 1000jährigen
Bestand wir noch verspürten. Nach der Murtener Schlacht war es der Schweiz gelungen, ein eigenes geschlossenes
Staatswesen zu gründen, dessen festen Bestand trotz der Sprachen und Rasseverschiedenheit wir als einen großen
 
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