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Wir sind heute oft geneigt, die Verwendung dieser Zeichen als eine Art Fabrikationsmarken des Steinmetzen,
der das Werkstück oder Kunstwerk schuf, als ihren eigentlichen Sinn anzunehmen. Und doch liegt ihnen noch eine
tiefere Bedeutung zugrunde. Im Altertum und noch im Mittelalter, als den Baumeistern noch nicht die exakten
mathematischen Berechnungsmethoden, besonders der Statik, zur Verfügung standen, waren diese angewiesen auf
die Überlieferung und den Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen, die ihre Vorgänger gesammelt hatten.
Um diese zu pflegen und auch vor Nichtsachleuten geheimzuhalten, schlossen sich im deutschen Mittelalter, besonders
zur Zeit der Gotik, die Baumeister, Steinmetzen und Pallierer (Gesellen) zu einer Art Fachgemeinschaften, den Bau-
hütten, zusammen, die sich als „Brüderschaft aller Steinmetzen (der freien Maurer) in deutschen Landen" bezeichneten.
Eine scharfe Trennung zwischen Steinmetzen und Maurern scheint zunächst nicht bestanden zu haben. (Im Zopfstil
finden sich sogar im Mörtel des Verputzes modellierte Steinmetzzeichen, so im Rathause zu Altenburg. Schwarz
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1926.) Das Zentrum dieser Organisation war die Bauhütte zu Frankfurt a. M., der die drei Haupthütten zu Wien,
Köln und Bern (später Zürich) und die zahlreichen anderen Hütten untergeordnet waren. Die erste schriftliche Hütten-
ordnung von 1459 zeigt bereits einen straffen, zunftmäßigen Aufbau. Neben dem eigentlichen Zweck der Über-
lieferung und Geheimhaltung der erfahrungsmäßig erworbenen Grundlagen der Baukunst bildeten diese Brüder-
schaften seltsame rituelle Formen ihrer Zusammenkünfte aus und versuchten auch auf das sittliche Leben ihrer Mit-
glieder einzuwirken. Ihr strengstes Gebot aber war, die den Mitgliedern nur mündlich mitgeteilten Geheimnisse
ihrer Kunst vor Nichtmitgliedern zu bewahren. Jedem Gesellen nun, der nach fünfjähriger Lehrzeit in die Brüder-
schaft ausgenommen wurde, verlieh die zuständige Bauhütte ein besonderes Ehrenzeichen, sein Steinmetzzeichen.
Dieses Zeichen durfte nur von dem Steinmetzen, dem es verliehen worden war, benutzt werden und nicht ohne Wissen
und Zustimmung der Hütte geändert werden.
Mer die Bedeutung der einzelnen Zeichen hat lange Unklarheit geherrscht. So wollte man sie zum Beispiel
als Runen deuten. Heute nimmt man an, daß sie rein geometrisch-zeichnerisch aus einer Anzahl von Schlüsseln oder
Mutterfiguren entnommen wurden. Das schließt jedoch nicht aus, daß man
sich bei der willkürlichen Auswahl der Figuren durch die Vorstellung bekannter
Zeichen, wie der Runen oder symbolischer Zeichen, beeinflussen ließ. Man
glaubt, daß diese Schlüssel das Schema der Grundkonstruktionen darstellen
sollen und daß der Steinmetz durch die Verleihung des Steinmetzzeichens
symbolhaft Anteil gewann an dem Geheimnis ebendieser Konstruktions-
regeln.
Eine Verpflichtung für den Steinmetzen, sein Zeichen auf den von ihm gefertigten Werkstücken anzubringen,
scheint jedoch zunächst nicht bestanden zu haben, sondern wurde erst ziemlich spät üblich bzw. Pflicht. So ordnet erst
im Jahre 1551 eine obrigkeitliche Entscheidung an, „daß fortan jeder Steinmetz ein gewisses Zeichen in jedes Stück
Arbeit hauen sollte, um dadurch sofort den Verfertiger kenntlich zu machen" (Wissell 1927). Diese Feststellung mag
eine Erklärung für die Tatsache geben, daß wir bis jetzt noch fast keine eigentlichen Steinmetzzeichen an den doch
außerordentlich planvoll und solide ausgeführten Bauteilen der Erfurtischen Burg gefunden haben. Möglich wäre
es aber auch, daß eine Stelle des Berichtes, den der Pfarrer M. Joh. Tauchwitz 1608 über die Burg gab (Apel 1933),
auf einen sogenannten Sammelstein hindeuten könnte, wie ihn Bodo Ebhardt für die Kadolzburg beschreibt. Es
waren das Steine (Tafeln), aus denen der Meister und die Gesellen, die an dem Bau gearbeitet hatten, ihre Stein-
metzzeichen anbrachten. Leider hat sich jedoch dieser Stein noch nicht finden lassen, wenn überhaupt ein solcher existiert
hat, so daß diese Erklärung noch reine Vermutung bleiben muß. Aber auch eine andere Möglichkeit besteht noch:
An den Strebepfeilern, die die Schildmauer vom Zwinger aus stützen, finden sich eine große Menge — etwa 40 —
Zeichen (Abb. 20), die zunächst wie Steinmetzzeichen aussehen. Offenbar handelt es sich bei ihnen jedoch um Hantie-
Z- ^-i
Abb. 21.
Wir sind heute oft geneigt, die Verwendung dieser Zeichen als eine Art Fabrikationsmarken des Steinmetzen,
der das Werkstück oder Kunstwerk schuf, als ihren eigentlichen Sinn anzunehmen. Und doch liegt ihnen noch eine
tiefere Bedeutung zugrunde. Im Altertum und noch im Mittelalter, als den Baumeistern noch nicht die exakten
mathematischen Berechnungsmethoden, besonders der Statik, zur Verfügung standen, waren diese angewiesen auf
die Überlieferung und den Austausch von Erfahrungen und Erkenntnissen, die ihre Vorgänger gesammelt hatten.
Um diese zu pflegen und auch vor Nichtsachleuten geheimzuhalten, schlossen sich im deutschen Mittelalter, besonders
zur Zeit der Gotik, die Baumeister, Steinmetzen und Pallierer (Gesellen) zu einer Art Fachgemeinschaften, den Bau-
hütten, zusammen, die sich als „Brüderschaft aller Steinmetzen (der freien Maurer) in deutschen Landen" bezeichneten.
Eine scharfe Trennung zwischen Steinmetzen und Maurern scheint zunächst nicht bestanden zu haben. (Im Zopfstil
finden sich sogar im Mörtel des Verputzes modellierte Steinmetzzeichen, so im Rathause zu Altenburg. Schwarz
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1926.) Das Zentrum dieser Organisation war die Bauhütte zu Frankfurt a. M., der die drei Haupthütten zu Wien,
Köln und Bern (später Zürich) und die zahlreichen anderen Hütten untergeordnet waren. Die erste schriftliche Hütten-
ordnung von 1459 zeigt bereits einen straffen, zunftmäßigen Aufbau. Neben dem eigentlichen Zweck der Über-
lieferung und Geheimhaltung der erfahrungsmäßig erworbenen Grundlagen der Baukunst bildeten diese Brüder-
schaften seltsame rituelle Formen ihrer Zusammenkünfte aus und versuchten auch auf das sittliche Leben ihrer Mit-
glieder einzuwirken. Ihr strengstes Gebot aber war, die den Mitgliedern nur mündlich mitgeteilten Geheimnisse
ihrer Kunst vor Nichtmitgliedern zu bewahren. Jedem Gesellen nun, der nach fünfjähriger Lehrzeit in die Brüder-
schaft ausgenommen wurde, verlieh die zuständige Bauhütte ein besonderes Ehrenzeichen, sein Steinmetzzeichen.
Dieses Zeichen durfte nur von dem Steinmetzen, dem es verliehen worden war, benutzt werden und nicht ohne Wissen
und Zustimmung der Hütte geändert werden.
Mer die Bedeutung der einzelnen Zeichen hat lange Unklarheit geherrscht. So wollte man sie zum Beispiel
als Runen deuten. Heute nimmt man an, daß sie rein geometrisch-zeichnerisch aus einer Anzahl von Schlüsseln oder
Mutterfiguren entnommen wurden. Das schließt jedoch nicht aus, daß man
sich bei der willkürlichen Auswahl der Figuren durch die Vorstellung bekannter
Zeichen, wie der Runen oder symbolischer Zeichen, beeinflussen ließ. Man
glaubt, daß diese Schlüssel das Schema der Grundkonstruktionen darstellen
sollen und daß der Steinmetz durch die Verleihung des Steinmetzzeichens
symbolhaft Anteil gewann an dem Geheimnis ebendieser Konstruktions-
regeln.
Eine Verpflichtung für den Steinmetzen, sein Zeichen auf den von ihm gefertigten Werkstücken anzubringen,
scheint jedoch zunächst nicht bestanden zu haben, sondern wurde erst ziemlich spät üblich bzw. Pflicht. So ordnet erst
im Jahre 1551 eine obrigkeitliche Entscheidung an, „daß fortan jeder Steinmetz ein gewisses Zeichen in jedes Stück
Arbeit hauen sollte, um dadurch sofort den Verfertiger kenntlich zu machen" (Wissell 1927). Diese Feststellung mag
eine Erklärung für die Tatsache geben, daß wir bis jetzt noch fast keine eigentlichen Steinmetzzeichen an den doch
außerordentlich planvoll und solide ausgeführten Bauteilen der Erfurtischen Burg gefunden haben. Möglich wäre
es aber auch, daß eine Stelle des Berichtes, den der Pfarrer M. Joh. Tauchwitz 1608 über die Burg gab (Apel 1933),
auf einen sogenannten Sammelstein hindeuten könnte, wie ihn Bodo Ebhardt für die Kadolzburg beschreibt. Es
waren das Steine (Tafeln), aus denen der Meister und die Gesellen, die an dem Bau gearbeitet hatten, ihre Stein-
metzzeichen anbrachten. Leider hat sich jedoch dieser Stein noch nicht finden lassen, wenn überhaupt ein solcher existiert
hat, so daß diese Erklärung noch reine Vermutung bleiben muß. Aber auch eine andere Möglichkeit besteht noch:
An den Strebepfeilern, die die Schildmauer vom Zwinger aus stützen, finden sich eine große Menge — etwa 40 —
Zeichen (Abb. 20), die zunächst wie Steinmetzzeichen aussehen. Offenbar handelt es sich bei ihnen jedoch um Hantie-
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Abb. 21.