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Manet, Edouard; Busch, Günter
Un bar aux Folies-Bergère — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 4: Stuttgart: Reclam, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.65318#0038
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MANETS KUNST

Die Farbe ist eine Sache des Geschmacks und der Sen-
sibilität. Hauptsache: man hat etwas zu sagen, sonst -
gute Nacht! Man ist kein Maler, wenn man die Malerei
nicht über alles liebt. Und dann genügt es nicht, sein
Handwerk zu beherrschen - man muß auch mit dem In-
nern dabei sein. Das handwerkliche Können ist sehr
schön, aber für uns ist die Phantasie wichtiger. (Manet
z« Jeanniot 1882)
Ein Auge unendlich begabt, Ton- und Farbwerte von-
einander zu unterscheiden, ein Blick von unvergleich-
licher Behendigkeit und ein bejahender Geist, der be-
glückt die Erscheinungen hinnahm - ohne Vorurteil, ohne
Kritik oder Pathos: das war Manet. Und er liebte, was
er sah, und fand es schön. Leidenschaft entschied, nicht
etwa das Prinzip, wahr zu sein. Das halb ethische Pro-
gramm der Naturalisten, unproduktiv wie jedes Pro-
gramm, gab ihm nichts, half höchstens zu dem Erfolge
seiner Kunst. Manets Freunde und Bewunderer ver-
kündeten nämlich zuerst - nach dem Programm -: dies
sei zwar unschön, aber wahr und deshalb wertvoll;
später sagten sie: dies ist schön, weil wahr; endlich
schlechthin: es ist schön . . . Harmlose Kunstfreunde
wähnen: nur Mangel an Technik hindere sie daran, ganz
wie er zu malen. Was hier schief und unpassend Technik
genannt wird, also Leichtigkeit, Schlagfertigkeit und
Sicherheit der Hand, ist ein sekundäres Vermögen. Er-
regung beim Schauen und der Wunsch, das fließende
und farbige Leben zu bannen, lenkten Manets Hand und
gaben ihr Geschicklichkeit. Er liebte die Natur und sah
in der Kunst ein mangelhaftes Mittel, während andere
die Kunst lieben und in der Natur einen mangelhaften
Stoff sehen. - Mit Manet verglichen, sind fast alle Maler
des 19. Jahrhunderts Illustratoren - den Begriff im wei-
testen Sinne genommen. Das will sagen: sie dachten und
fühlten, ehe daß sie bildeten, und ihr Geist bestimmte
die Vision; seine Gedanken und Gefühle dagegen ent-
stammen Gesichten und gehen rein auf in Form und

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