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Buschbeck, Ernst H.
Frühmittelalterliche Kunst in Spanien — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 59: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61073#0007
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Zwiespältig und schwer zu fassen ist das Antlitz, das
das frühe Mittelalter, die zweite Hälfte des ersten
Jahrtausends, in ganz Europa zeigt. Eine alte, unerhört
reiche Kultur hatte sich über sich selbst hinaus ent-
wickelt und hatte sich selbst auf gehoben; junge Völker,
fast voraussetzungslos, waren in ihren Kreis getreten.
Und doch erwies sich die geistige Haltung der späten An-
tike, ihr auf ein außerirdisches Sein gerichteter Mono-
theismus, als stark genug, die Richtung der folgenden
Entwicklung zu bestimmen, ebenso wie die eingesessene
Bevölkerung des römischen Imperiums innerhalb weni-
ger Jahrhunderte die Eroberer physisch und sprachlich
aufsaugte; und es sollte noch fast ein Jahrtausend ver-
gehen, bis eine neue Welt sich unter Wehen aus dem
Schoße der mütterlichen Vergangenheit ringen würde.
So blieben die Formen— die politischen und die sozialen,
die künstlerischen und die Denkformen der späten
Antike erhalten, weil nichts da war, was an ihre Stelle
hätte gesetzt werden können; aber sie unterlagen nun-
mehr einem doppelten Prozeß: einmal konnten nur jene
Formen bestehen bleiben, die in die klein und arm ge-
wordene Welt noch paßten, die nach dem grauenhaften
Zusammenbruch der antiken äußeren Kultur im vierten
und fünften Jahrhundert übriggeblieben war; dann aber
erfuhren auch manche von ihnen — hauptsächlich auf
dem Gebiete des Rechtes — eine innere Umbildung und
Umbiegung durch Vorstellungen, welche die germani-
schen Eroberer mitgebracht hatten. Die Erkenntnis
dieser Vorgänge wird besonders dadurch erschwert,
daß sich die Entwicklung nicht auf dem Boden der
großen römisch-griechischen Kulturzentren vollzogen
hat, sondern auf dem Boden der römischen Provin-
zialkultur mit ihren vielfachen lokalen Besonderheiten
und ihrer nur romanisierten Bevölkerung, in der noch
mannigfache Elemente des ursprünglichen Volkstumes
beschlossen lagen. Es ist selbstverständlich, daß diese

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