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Buschbeck, Ernst H.
Frühmittelalterliche Kunst in Spanien — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 59: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61073#0012
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Der künstlerisch weitaus bedeutendste Bau aber, den die
christlich-spanische Kunst des frühen Mittelalters her-
vorgebracht hat, ist die Kirche von Santa Maria de Na-
ranco; sie weicht so völlig von allem ab, was wir sonst
kennen, daß ein bedeutender spanischer Archäologe sie
für einen Königspalast hat halten können: auf einem
Untergeschoß, das eine Krypta bildet, erhebt sich eine
einfache, gestreckte, mit einer Tonne überdeckte Halle;
an ihren Enden sind mit dreifachen Bogenstellungen ein
Altarraum und gegenüber ein entsprechender Raum ab-
getrennt, die sich ihrerseits wieder in breiten dreifachen
Arkaden nach außen zu öffnen; zwei kleine Eingangs-
hallen lagen an der Mitte der Langseiten. In der Tat, ein
ungewöhnlicher Kirchenplan; und er wird noch erstaun-
licher dadurch, daß die Tonne über Gurten gewölbt ist
und daß die Längswände innen eine Blendarkatur auf ge-
drehten Säulen tragen, die von den Enden her gegen
die Mitte ansteigt. Uns fesselt dieser Bau stets von
neuem durch sein schönes Gleichmaß, durch die Selbst-
verständlichkeit und Leichtigkeit seiner Proportionen,
denen so gar nichts von dem Ungelösten, mit dem Stoff
Ringenden aller sonstigen Werke dieser Epoche an-
haftet.
Und doch ist dieser Bau ein rechtes Kind der karolin-
gischen Zeit, ein Janus, der nach zwei Seiten blickt.
Einerseits eine Leichtigkeit und Luftigkeit, ich möchte
sagen eine Durchsichtigkeit des Baues, wie sie uns in den
lichtdurchfluteten, förmlich schwebenden Bauten der
Spätantike, wie den großen Basiliken oder der Sophien-
kirche, überliefert ist, andererseits die rhythmische Zer-
teilung des Raumes durch die Folge der Gurtbogen, die
eines der großen Probleme der romanischen Periode
werden sollte; und so ist es auch im einzelnen: grad und
vorausahnend konzipiert, aber doch manchmal mehr ge-
wollt, als die Zeit schon erreichen konnte. Wie genial
sind die Blendbogen und die Gurtbögen darüber, aber sie

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