Busse, Erwin von; Guardi, Francesco [Ill.]: Francesco Guardi und die Kleinmeister des venezianischen Rokoko (Bibliothek der Kunstgeschichte, Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1925)

dianten und Gelegenheitspoeten, galante Mädchen, ga-
lante Jünglinge und Kuppler, Astrologen, Wunderärzte,
Wucherer, alles ist da und wirbelt durcheinander. Ein
jeder kommt zu seinem Zweck. Ein jeder findet Ver-
traute, Komplizen, Helfershelfer. Überall — hinter ko-
ketten Fächern, in schwarzen Masken und Dominos oder
im Dunkel der Nacht konspiriert, hächelt, verleumdet,
intrigiert man. Man tötet auch zuweilen, gerade wie’s
bequem ist. Am besten ganz versteckt, durch einen un-
sichtbaren Degenstich. Oder Gifte schleichen sich in
Pastetchen und Schokoladen ein. — Selbst die Morde
sind graziös ! — Ein verrauschter Tag folgt dem andern.
Es gibt keine Zeit mehr, denn alles bleibt und nichts ver-
rinnt. Was heute nicht ist, ist morgen. Die großen Er-
eignisse der Geschichte liegen weit. Niemand denkt an
sie, selbst wenn sie in Staatsfesten gefeiert werden. Nie-
mand will auch an sie denken, denn das Jetzt ist Trumpf.
Und niemand würde an sie denken können, denn mit
dem steten Genießen alles Kleinen, Niedlichen und Ka-
priziösen ist die Fähigkeit zu großem innerem Erleben
hingeschwunden. — Und was sie sich erzählen, vor-
spielen, vormusizieren und vorphilosophieren hat den
gleichen Sinn. Kein gewissenhaftes Aufgreifen und Lö-
sen ernster Probleme, aber ein prasselndes Feuerwerk
des Geistes. •—• Kein tiefes Erfassen des Wesens der
Kunst, aber ein farbenfroh schillerndes Darstellen des-
sen, was man vor Augen hat. Kein Wunder, daß
Leute aus allen vier Ecken der Welt herbeiströmen,
um dies Venedig zu erleben. Der Markusplatz wird
das Trottoir der Elegants von Petersburg bis Madrid,
der Neugierigen von Boston bis zur Mandschurei. Und
alles — das ist das Merkwürdige — von fern oder
nah nimmt diese eigene venezianicshe Note an, wird

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