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Buttlar, Adrian von
Der englische Landsitz: 1715-1760 : Symbol eines liberalen Weltentwurfs — Mittenwald: Mäander, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.61312#0072
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Eigenbedeutung der Staffagen, die wir primär als Bedeutungsträger anzusehen haben.
Darauf verweist auch schon Thomas Whately (1771) in einem Rückblick auf die ur-
sprüngliche Funktion von Gartenbauten, als spielerisches Refugium zu dienen und
Schutz vor Sonne, Wind und Wetter zu bieten: “... they... have since been converted
into objects ... and now the original use is too often forgotten in the greater purposes
to which they are applied.”323
In dieser neuen Darstellungsfunktion sind die Kleinbauten keine Architekturkopien
mit dem Anspruch auf archäologische Genauigkeit. Sie stellen vielmehr den Bezug zum
jeweiligen Vorbild in der architektonischen Abbreviatur - als Architekturzitate - her.
Tatsächlich wird sogar die archäologische Genauigkeit in den Gartenbauten der
sechziger Jahre rückblickend als peinlich empfunden, weil der historische Anspruch
mit dem Miniaturmaßstab der Gartenästhetik kollidieren mußte. In Anspielung auf die
Reproduktion der neuesten Ausgrabungsergebnisse in Gartentempeln tadelt R. Payne-
Knight in seinem didaktischen Gedicht “The Landscape” (1794):
“No poor Baalbec dwindled to the eye
and Paestum’s fanes with columns six feet high,
such buildings english nature must reject .. .”324
Metastil
Lord Burlingtons Gartentempel in Chiswick, die zu den frühesten zählen (ab 1717),
sehen das Klassische noch überwiegend in der Brechung der Renaissance, insbesondere
Palladios. Sein „Bagnio“ steht in der Tradition der Gartencasinos und geht im Detail
auf Inigo Jones Whitehallentwurf (1638) zurück. Das „Pantheon“ (1719, Abb. 22, 44),
nach Burlingtons Rückkehr aus Italien entstanden, dürfte an Palladios „Tempietto“ in
Maser anknüpfen (daher vielleicht auch die gleiche Farbe), wo Burlington im gleichen
Jahr gewesen war und eine Reihe von Palladiozeichnungen erworben hatte. Der von
Macky (1724) erwähnte Portikus “in Imitation of Covent Garden Church” gehört zum
“Riverpavillon”. Die Orangerie mit dem Motiv des gebrochenen und verdoppelten
Giebels ist von Palladios venezianischen Kirchen, insbesondere San Francesco della
Vigna, übernommen. In Rocques Vedute (1736) ist der Bau in dieser Form, der der er-
haltenen Flitcroftzeichnung von Burlingtons Entwurf entspricht, überliefert, obwohl
fraglich bleibt, ob er tatsächlich so ausgeführt wurde.325 Als Entwurfsidee oder im Ori-
ginal hatte die Orangerie aber direkte Nachfolger, z. B. in Castle Ward/Down (Irland).
Anstelle solcher Zitate konnten aber auch in dieser Architekturcollage Spolien ein-
gesetzt werden. 1738 erwarb Burlington beim Abriß eines Hauses von Sir Hans Sloane
ein Originalgartenportal von Inigo Jones, das von Pope bedichtet wurde, und das er wie
eine Reliquie mit „religiösem Gehabe“ (so Horace Walpole)326 im Garten von Chis-
wick aufstellte. Henry Hoare ließ in ähnlicher Weise 1756 ein gotisches Wegekreuz von
1373 nach Stourhead transportieren und als Vordergrundakzent der auf das klassisch-
Claude’sche Panorama ausgerichteten Hauptvedute (Abb. 30) aufstellen. Der Earl of
Bristol soll sogar erwogen haben, die berühmte Ruine des Sybillentempels von Tivoli

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