tekturmotiven orientierte Hypothese einer linearen Stilentwicklung von “Georgian
Baroque”, “Palladianism”, “Rococo”, “Neoclassicism”, “Romanticism” bzw.
“Revivalism” die Komplexität der architektonischen Phänomene dieser Epoche nicht
hinreichend fassen kann.
Wandel im „Architektursystem“ meint bei ihm tiefergreifend“ ... a great movement of
reorientation and reorganisation, slowly rising and slowly expanding .. .”.138 Unter der
Oberfläche des architektonischen Formenapparates, ob nun klassisch orientiert oder
nicht, sei eine Veränderung im Kern des künstlerischen Gestaltens zu beobachten, die
auf die Gestaltqualitäten des architektonischen Vokabulars rückwirkt und den an-
schaulichen Charakter dieser Architektur maßgeblich mitbestimmt, “... namley the
change in the interrelation of the parts - or what I propose to term the ,System'.”139
Eine Veränderung des Systems betrifft das Grundproblem aller Architektur, die
Beziehung von Ganzheiten und Teilen: "... it is the visualization of a particular
,Gestaltideal'.”140
Mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit muß die Bestimmung eines solchen Ge-
staltideals Minimaldefinition bleiben. Epochenüberspannend definiert Kaufmann ein
generelles Strukturprinzip für die Zeit vom Beginn der Frührenaissance bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts durch die Begriffstrias “concatenation” (Verkettung), “inte-
gration” (Durchdringung) und “gradation” (Abstufung) als Ausdruck eines ganzheit-
lichen Kompositionsprinzips. Durch die Architekturtheorie von Renaissance und
Barock ziehe sich der Grundgedanke des wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses
vom Ganzen und seiner Teile, als einer “hierarchy of well disciplined elements”141, in
Analogie zum menschlichen Körper und seinen Gliedern. Der Grundgedanke einer
letztlich organischen Auffassung von Architektur „... ist das Erzeugnis der sinnlichen
Auffassung des architektonischen Dinges als Organismus. Daß es ... ähnliches für die
produktive Vorstellung bedeutet hat, kann man aus dem antropomorphen, richtiger
zoomorphen Prinzip der Dekoration schließen.“142
Dem toten Stoff werden die Eigenschaften organischer Substanzen unterlegt, so daß
sich die Architekturglieder „dem Barock physisch verlebendigt hatten“.143 Typisch sei
die Negation der Wand und ihre plastische Belebung. Das barocke Architektursystem
vollende sich aber nicht im Baukörper selbst, sondern in der Besitznahme von
Raumkörper und Körpergruppen. So bekommt etwa der „... barocke Platz durch die
betonte Begrenzung etwas Körperhaftes, ist kein Vakuum, sondern Raumkörper ...
von ihm strahlen die Straßen aus.“144 Gleichfalls Ausdruck des hierarchischen Or-
ganisationsprinzips beider Epochen ist der im Barock sich vollendende Achsenraster
der Parkanlagen, in dem Architektur zum Zentrum oder Subzentrum einer umfas-
senden Raumordnung wird. Die Definition eines auf wenigen Strukturmerkmalen be-
ruhenden Architektursystems erfüllt freilich nur noch die Funktion einer Stilkritik,
die „... so hoch ins allgemeine gesteigert ist, daß sie nur noch die große Zickzacklinie
der Entwicklung ... sucht“ (Frankl).145
Bereits in seinen Untersuchungen zur Revolutionsarchitektur (1933) verfolgte Kauf-
mann das methodische Ziel, den tiefgreifenden Wandel in der Auffassung des Architek-
tonischen seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufzuzeigen, der dann in den
Bauten der Revolutionsarchitekten am deutlichsten zum Tragen kam.
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Baroque”, “Palladianism”, “Rococo”, “Neoclassicism”, “Romanticism” bzw.
“Revivalism” die Komplexität der architektonischen Phänomene dieser Epoche nicht
hinreichend fassen kann.
Wandel im „Architektursystem“ meint bei ihm tiefergreifend“ ... a great movement of
reorientation and reorganisation, slowly rising and slowly expanding .. .”.138 Unter der
Oberfläche des architektonischen Formenapparates, ob nun klassisch orientiert oder
nicht, sei eine Veränderung im Kern des künstlerischen Gestaltens zu beobachten, die
auf die Gestaltqualitäten des architektonischen Vokabulars rückwirkt und den an-
schaulichen Charakter dieser Architektur maßgeblich mitbestimmt, “... namley the
change in the interrelation of the parts - or what I propose to term the ,System'.”139
Eine Veränderung des Systems betrifft das Grundproblem aller Architektur, die
Beziehung von Ganzheiten und Teilen: "... it is the visualization of a particular
,Gestaltideal'.”140
Mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit muß die Bestimmung eines solchen Ge-
staltideals Minimaldefinition bleiben. Epochenüberspannend definiert Kaufmann ein
generelles Strukturprinzip für die Zeit vom Beginn der Frührenaissance bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts durch die Begriffstrias “concatenation” (Verkettung), “inte-
gration” (Durchdringung) und “gradation” (Abstufung) als Ausdruck eines ganzheit-
lichen Kompositionsprinzips. Durch die Architekturtheorie von Renaissance und
Barock ziehe sich der Grundgedanke des wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnisses
vom Ganzen und seiner Teile, als einer “hierarchy of well disciplined elements”141, in
Analogie zum menschlichen Körper und seinen Gliedern. Der Grundgedanke einer
letztlich organischen Auffassung von Architektur „... ist das Erzeugnis der sinnlichen
Auffassung des architektonischen Dinges als Organismus. Daß es ... ähnliches für die
produktive Vorstellung bedeutet hat, kann man aus dem antropomorphen, richtiger
zoomorphen Prinzip der Dekoration schließen.“142
Dem toten Stoff werden die Eigenschaften organischer Substanzen unterlegt, so daß
sich die Architekturglieder „dem Barock physisch verlebendigt hatten“.143 Typisch sei
die Negation der Wand und ihre plastische Belebung. Das barocke Architektursystem
vollende sich aber nicht im Baukörper selbst, sondern in der Besitznahme von
Raumkörper und Körpergruppen. So bekommt etwa der „... barocke Platz durch die
betonte Begrenzung etwas Körperhaftes, ist kein Vakuum, sondern Raumkörper ...
von ihm strahlen die Straßen aus.“144 Gleichfalls Ausdruck des hierarchischen Or-
ganisationsprinzips beider Epochen ist der im Barock sich vollendende Achsenraster
der Parkanlagen, in dem Architektur zum Zentrum oder Subzentrum einer umfas-
senden Raumordnung wird. Die Definition eines auf wenigen Strukturmerkmalen be-
ruhenden Architektursystems erfüllt freilich nur noch die Funktion einer Stilkritik,
die „... so hoch ins allgemeine gesteigert ist, daß sie nur noch die große Zickzacklinie
der Entwicklung ... sucht“ (Frankl).145
Bereits in seinen Untersuchungen zur Revolutionsarchitektur (1933) verfolgte Kauf-
mann das methodische Ziel, den tiefgreifenden Wandel in der Auffassung des Architek-
tonischen seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufzuzeigen, der dann in den
Bauten der Revolutionsarchitekten am deutlichsten zum Tragen kam.
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