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Puchstein, Otto
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 47): Das ionische Capitell — Berlin, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.730#0003
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Weder eine neue ästhetische Verherrlichung einer der wunderbarsten Schöpfun-
gen griechischen Geistes noch eine kritisirende Wiederholung der mannigfaltigen, mehr
witzigen als begründeten Erklärungen des Ursprungs derselben will ich in dieser Abhand-
lung über das ionische Capitell zum Feste unseres rß-a; -ml x^fonjs darbringen: ieh habe
mir die einfachere, aber trotzdem dringende Aufgabe gestellt, die erhaltenen Beispiele
desselben so gründlich es mir bei beschränkter Zeit möglich ist nach ihren Verschieden-
heiten in bestimmtere örtliche und zeitliche Gruppen zu sondern. Erst wenn durch
eine solche Betrachtung der Begriff des ionischen Capitells genauer umschrieben ist,
werde icii versuchen diejenigen Arten und Formen zu ermitteln, von welchen die Unter-
suchung über seine Entstehung ausgehen muss. Ich hoffe dabei, dass mehr die zahlrei-
chen Al.i!i;i'.!i.[:;:en ;;[.- i::eine U'ürio die Sicherheit einzelner Ergebnisse bezeugen werden.

I.

Wegen eines gewissemialsen persönlichen Verhältnisses mochte ich mit einem
unscheinbaren Bruchstück der Königlichen Museen zu Berlin (S. 6 n. 2) beginnen, da es
mir von allen altertümlichen Capitelleu am besten bekannt ist und mich zu dieser Un-
tersuchung besonders angeregt hat. Damit aber der eigentümliche Formencharakter
desselben sofort in die Augen springt, wolle man sich zuvor ein vollständiges, inbezug
auf Proportionen und Urheber unzweideutiges Beispiel vergegenwärtigen. Hierzu em-
pfiehlt sich am meisten das von Vitruv III 5,5 —7 beschriebene Capitell, das wie
R. Koldewey in umstehender Zeichnung n. 1 gethan hat mit völliger Sicherheit construirt
werden kann. Den hierauf bezüglichen Text des römischen Architekten wird man in
den hinten zusammengestellten Anmerkungen finden.

Vitruv nennt als Bestandtheile des ionischen Capitells den abacus, eine niedere
quadrate Deckplatte, darunter den canalis, ein Band, das an der Front rechts und liuks'um
ein sogenanntes Auge (oculus) zu einer herabhängenden Spirale (volvia) aufgerollt ist,
seitlich aber in der Gestalt eines von einem Gurt (baHeus) zusammengeschnürten Polsters
([iiiicinus) erscheint, endlich das cymaüum, einen Wulst, welcher nur vorn frei heraus-

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