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Puchstein, Otto
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 47): Das ionische Capitell — Berlin, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.730#0005
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tretend der Rundung des tiarunter liegenden bereite dem Küulensdiäft zugohürigon astra-
galus folgt. Indem Vitruv bei Säulen von höchstens '25 Fuls Höhe als Grundmals aller
duwr ('Hpitollglieder 1/18 des unteren Säulendurehmessers annimmt, bestimmt er zu
19/18 die Breite und die Tiefe des Abacus, während er für die Gesamthöhe des Capitells
einschließlich der-Voluten 94/18, ohne dieselben, also bis zur Fuge mit dem Säuleu-
schaft, 6/18 verlangt. Hiervon entfallen 14/18 auf den Abacus; da derselbe rings herum
ebensoviel ausladet, wird die für die folgenden Glieder maisgebende Unterkante des
Abacus nur 16/18 breit und tief (vgl. den Schnitt und die Unteransicht.). Es soll nemlich
in einer lothrecht an dem unteren Rand des Abacus vorn, bez. hinten hangenden Ebene
der Canal mit den Voluten liegen, indem die Mittelpunkte der Volutenaugen um 44/18
niedriger und gleichfalls 16/18 von einander entfernt sind. Da der Canal und das Kyrna-
tion zusammen auch 44/18 hoch sein müssen, ergiebt sich, dass die Augen mittel punkte
und die Fuge zwischen dem Capitell und der Säule in einer Horizontalen liegen. Einzel-
mafse für die Höhe des Canals und des Kymations hat Vitruv nicht angegeben; aber
da letzteres 24/18 ausladen soll, darf man demselben nach der für alle vitruvianisclien
Kymatien gültigen Regel zuversichtlich dasselbe Mals, 24/18, als Höhe zuschreiben und
für den Canal 2/18 festsetzen. Alle anderen Mafse sind aus der Zeichnung ersichtlich;
ich hebe noch hervor, dass, da der Rand des Polstergurtes (vgl. die Unteransicht)
vom Mittelpunkt ebensoweit absteht wie das Kymation, an den Seiten letzteres fast ganz
von den Polstern absorbirt werden mufs. Die Palmetten in den Zwickeln zwischen den
Voluten und dem Kymation hat Vitruv nicht besonders erwähnt. Auf die abweichenden
Coustructionen der Spiralen an den erhaltenen Capitellen habe ich im Folgenden leider
keine Rücksicht nehmen können.

Von diesen Normen scheint das oben genannte 0,18 m hohe Bruchstück, S.6 n.2,
das nur unten an der gleichmäfsig gerauhten Lagerfiäche den ursprünglichen Rand be-
wahrt hat, so sehr abzuweichen, dass man versucht wird sich zuerst Gewissheit darüber
zu verschaffen, dass es wirklich von einem ionischen Capitell herrührt: nach dem
an der 1. Seite des Splitters sichtbaren Volutenumrisse, einer r. entsprechenden Bruch-
linie und besonders dem Kymation zwischen diesen Volutenresten ist daran freilich nicht
zu zweifeln. Auf das Kymation bezieht sich, wie das griechischer Formencombination
gemäls ist, auch der kleine Steg darüber, während der Theil am äufsersten Rande oben
durch die Bearbeitung der Oberfläche als Fortsetzung der Voluten, d. i. als Canal, kennt-
lich wird. In Vitruv's Capitell bleibt allerdings weder für eine solche Ausbauchung des
Canals eine Stelle, noch für das verhiUtnissmäMg hohe schräg vorspringende Glied, das
sich zwischen Canal und Kymation schiebt und eine passende Unterlage für die zierliche
Zwickelpalmette bildet. Schon wegen dieser Unterschiede ist es klar, dass für die Er-
gänzung des Bruchstücks Vitruv's Proportionen nicht maßgebend sein können, und dass
 
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