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Kekulé von Stradonitz, Reinhard
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 49): Über die Bronzestatue des sogenannten Idolino — Berlin, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.732#0005
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Die griechische Knabengestalt, auf welche die folgenden Abbildungen und Er-
läuterungen die Aufmerksamkeit zurücklenken sollen, ist seit dreilmndertneunundfünfzig
Jahren über der Erde. Bei ihrer Auffindung mit ehrfürchtiger Bewunderung begrüsst,
dann an einer Wallfahrtsstätte im Reiche der Kunst den Blicken ungezählter Tausender
von Beschauern dargeboten, ist die Statue dennoch eine der am wenigsten gekannten
Antiken. Sie ist wol seltene male lebhaft gepriesen, aber meist nur beiläufig erwähnt
und niemals für die Geschichte der griechischen Kunst verwertet worden, während sie
doch die schönste aus dem Altertum erhaltene Bronzestatue und ein kunstgeschichtliches
Denkmal ersten Ranges ist.

Im Herbst des Jahres 1530 Hess in Pesaro ein Bürger dieser Stadt, Alexander
Barignani, die Fundamente für ein Wohnhaus graben. Dabei stiess man, im Monat
October, auf die eherne Statue eines Knaben, welche Barignani sofort seinem Fürsten,
dem Herzog Francesco Maria von TJrbino schenkte. Der Herzog befahl sie für die Auf-
stellung herzurichten'). Im Sommer des folgenden Jahres beglückwünschte Pietro Bembo,
der von der Schönheit des Fundes gehört hatte, die Gemalin des Herzogs, Eleonora Gonzaga
zu dem kostbaren Besitz2). Es war die Zeit, als diese schöne kunstsinnige allgeliebte
und bewunderte Fürstin mit dem Prachtbau ihrer Villa auf Monte Imperiale bei Pesaro
beschäftigt wars). Dort fand auch die antike Bronzefigur ihre Stelle, aufgestellt auf einem
eigens dafür gegossenen, reich und zierlich geschmückten Postament, für welches Bembo
um eine Inschrift ersucht worden war, wie er auch die sinnigen Inschriften an den
Wänden der Villa Imperiale und Unterschriften unter die Bildnisse des Fürstenpaares

verfasst hat4).

Ut fotui huc veiii Phoebo Delphisque reHctis

lautet der Vers, den Bembo für das Postament der Bronzestatue vorschlug5). Er ging
dabei von der Voraussetzung aus, dass sie einen'Bacchus' darstelle. Das war der Name,
den man von Anfang an dem unbekannten Jüngling beigelegt hatte. Das Gerücht ging,
dass bei der Auffindung das Haupt mit Weinlaub und Trauben bekränzt gewesen sei,
die rechte Hand einen Rebzweig gehalten habe; auch die Reste eines kleinen Tempels,
in dem der Gott Verehrung genossen, seien noch kenntlich gewesen. Später wollte man

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