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Kalkmann, August
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin (Band 53): Die Proportionen des Gesichts in der griechischen Kunst — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.736#0021
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stellen sich meist als Copieen eines andern Werkes heraus, in dem nur der gleiche
Typus leicht variirt ist. Man hat berühmte Figuren klein wiederholt, aber nicht in
einem dem originalen ähnlichen Maassstab; in diesem Fall trat die mechanisch genaue
Copie ein. Für antike Anschauung ist der künstlerische Eindruck in erster Reihe be-
dingt durch die Construction des "Werks und seine symmetrischen Verhältnisse; auf diese
hat also der Copist als Erstes zu achten, wenn seine Arbeit den künstlerischen Eindruck
des Originals vermitteln soll. Alle Verhältnisse sind erdacht für eine bestimmte Grösse
des Ganzen und an diese gebunden; sie ertragen keinen andern Maassstab; auch fordert
der dem Originale nur ähnliche Maassstab zum Vergleich mit dem Originale heraus; nicht
so die "Wiederholung im Kleinen. Der Doryphoros des Polyklet, statt zwei Meter nur
anderthalb Meter hoch, oder sein Diadumcnos so gross wie der Doryphoros, wäre für an-
tikes Empfinden unerträglich. In Bezug auf alles Wesentliche der äusseren Erscheinung
haben beide Figuren thatsäehlich so ausgesehen, wio wir sie jetzt vor uns haben.
Systematischer Untersuchung des Statuenvorraths bietet diese Erkenntnis^ eine sichere
Grundlage.

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass bei mehreren Wiederholungen die
mittlere Zahl der Maasso selbst bis auf geringe Differenzen dem originalen Verhültniss
nahe kommt. Doch die Differenz kann iu den kleinen Dimensionen des Gesichts noch
empfindlich genug sein, wenn es gilt aus ihrer Verglcichung die A erhältnisszahlen fest-
zustellen; auch kann der Zufall einer weniger genauen Copie täuschen. Ein Kanon der
Gesichtsveriniltnisse lässt sich daher nur mit Hülfe von Originalen aufstellen. Für die
im folgenden dargelegten Gesetze wird daher von Originalen ausgegangen, mit Ausnahme
des Polykletischen Kanons, für den das zuverlässige Material zahlreicher Doryphoros-
Copieen eintritt. Jene Einschränkung fällt weiter von selbst bei der Untersuchung der
Brcitenmaasse und der Verhältnisse des Gesichts zur ganzen Hohe der Figur im zweiten
Theilj weil dabei nur grössere Zahlen iu Betracht kommen; auch ist der Zweck der
Vereinigung der Maasse in den Tabellen am Schluss vorwiegend statistischer Art.

folgende, an den Polykletischen Typus erinnernde Köpfe: Floren/. Uffizien Treppenhaus Dütschke No. 1, Rom
Vatikan Galler. d. Stat. Helbig Führer I 123, 184, Rom Museo Torlonia No.46!) und 475, Berlin No.475.
Sie sind nicht nur dcsshalb keine Wiederholungen'des Doryphoros, weil sie andere Maasso haben,
sondern auch aus Gründen, welche die Formenlehre angehen. Am nächsten stellt jenem der Berliner
Kopf. — Die vermeintlichen Amazonen-Köpfe der Ncapler Bronze-Herme (Michaelis I J) und der Figur
in Petworth (Jahrb. 1 T. 1 u. 2) gehörcu weder zu Typ. 1, noch zu Typ. II, da sie grösser sind: Ge-
sichtshülie ldl und 198, Augenabstand 1077s und 106l/s- Der Neapler Kopf weicht auch iu Anderem
wie in der llaarbehiindlung von den Amazonen ab. Den Penvortlier Kopf hat Michaelis zu Typ. 111
gerechnet; aber da er nicht zur Figur gehört, wird seine Erklärung als Amazone in Frage gesiellt.
 
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