Die Kämpfe der Aufklärung in Frankreich. 95
ergibt fich wie von selbst die glänzende Satire ans die Sitten nnd
Meinungen des Abendlandes, die dadurch Halt nnd Bedeutung ge-
winnt daß ihr Montesquieu die eigene feste religiöse nnd politische
Ueberzeugnng zu Grunde legt. Schlüpfrige pariser Liebesgeschichten
nnd orientalische Haremsanekdoten machen das Buch der vornehmen
Gesellschaft anziehend; dem Verfasser sind sie das Mittel um seine
Ansichten über die gewichtigsten Fragen des Lebens an den Mann
zu bringen. Das Gefährliche wie das Lächerliche des religiösen
und politischen Aberglaubens, der Hierarchie und des Despotismus
spielen ineinander. Der Perser, der an Gott nnd Unsterblichkeit
glaubt nnd das Wesen der Religion in werkthätiger Liebe findet,
ergießt seinen Spott über die theologischen Zänkereien um unerklär-
liche Satzungen nnd Wunder, über Klöster, Ketzergerichte und die
Gewalt des Papstes, der ein Hexenmeister sein müsse, denn er
mache die Leute glauben drei seien eins, Brot sei Menschenfleisch
und Wein Gottesblut, nnd etwas Verbotenes, Verwerfliches werde
gut, wenn er es für Geld gestatte. Dem gegenüber preist der
Muhammedaner seine Glaubensgenossen glücklich; sie kennen keine
Verfolgungen um der Religion willen, die sich durch innere Wahr-
heit erhält. Die Akademie erscheint als ein monarchisches Treib-
haus der Literatur, wo die Wissenschaften zum Schangepräuge ge-
pflegt werden nnd die Mitglieder einander lobhudeln; pedantische
Commentatoren erscheinen wie im Vers Voltaire's:
Geschmack ist nichts; wir setzen auseinander
Von Punkt zu Punkt mit Nachdruck nnd Gewicht
Was man vordem gedacht, doch wir wir denken nicht.
Dem Law'schen Finanzschwindel, dem Uebermuth des Adels
wird das arbeitsame Volk der Schweiz und Hollands entgegen-
gestellt, wo die Bürger gleiche Rechte haben und daraus auch eine
gewisse Gleichheit der Glücksumstände hervorgeht. Luxus und In-
dustrie aber werden vertheidigt, weil sie Wohlstand verbreiten und
seine Folge find; sie dürfen so wenig als ein Zeichen der Entartung
gelten wie Kunst nnd feine Bildung.
Montesquieu bereiste nun Deutschland und Italien und lebte
dann zwei Jahre in England im Verkehr mit den hervorragenden
Staatsmännern; wie Voltaire von dort den Deismus und die
Naturwissenschaft nach Frankreich brachte nnd für Europa schrift-
stellerisch znbereitete, so Montesquieu die freisinnige Politik; die
englischen Pnblicisten selber wurden durch ihn zu einer principiellen
ergibt fich wie von selbst die glänzende Satire ans die Sitten nnd
Meinungen des Abendlandes, die dadurch Halt nnd Bedeutung ge-
winnt daß ihr Montesquieu die eigene feste religiöse nnd politische
Ueberzeugnng zu Grunde legt. Schlüpfrige pariser Liebesgeschichten
nnd orientalische Haremsanekdoten machen das Buch der vornehmen
Gesellschaft anziehend; dem Verfasser sind sie das Mittel um seine
Ansichten über die gewichtigsten Fragen des Lebens an den Mann
zu bringen. Das Gefährliche wie das Lächerliche des religiösen
und politischen Aberglaubens, der Hierarchie und des Despotismus
spielen ineinander. Der Perser, der an Gott nnd Unsterblichkeit
glaubt nnd das Wesen der Religion in werkthätiger Liebe findet,
ergießt seinen Spott über die theologischen Zänkereien um unerklär-
liche Satzungen nnd Wunder, über Klöster, Ketzergerichte und die
Gewalt des Papstes, der ein Hexenmeister sein müsse, denn er
mache die Leute glauben drei seien eins, Brot sei Menschenfleisch
und Wein Gottesblut, nnd etwas Verbotenes, Verwerfliches werde
gut, wenn er es für Geld gestatte. Dem gegenüber preist der
Muhammedaner seine Glaubensgenossen glücklich; sie kennen keine
Verfolgungen um der Religion willen, die sich durch innere Wahr-
heit erhält. Die Akademie erscheint als ein monarchisches Treib-
haus der Literatur, wo die Wissenschaften zum Schangepräuge ge-
pflegt werden nnd die Mitglieder einander lobhudeln; pedantische
Commentatoren erscheinen wie im Vers Voltaire's:
Geschmack ist nichts; wir setzen auseinander
Von Punkt zu Punkt mit Nachdruck nnd Gewicht
Was man vordem gedacht, doch wir wir denken nicht.
Dem Law'schen Finanzschwindel, dem Uebermuth des Adels
wird das arbeitsame Volk der Schweiz und Hollands entgegen-
gestellt, wo die Bürger gleiche Rechte haben und daraus auch eine
gewisse Gleichheit der Glücksumstände hervorgeht. Luxus und In-
dustrie aber werden vertheidigt, weil sie Wohlstand verbreiten und
seine Folge find; sie dürfen so wenig als ein Zeichen der Entartung
gelten wie Kunst nnd feine Bildung.
Montesquieu bereiste nun Deutschland und Italien und lebte
dann zwei Jahre in England im Verkehr mit den hervorragenden
Staatsmännern; wie Voltaire von dort den Deismus und die
Naturwissenschaft nach Frankreich brachte nnd für Europa schrift-
stellerisch znbereitete, so Montesquieu die freisinnige Politik; die
englischen Pnblicisten selber wurden durch ihn zu einer principiellen