Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Cartwright, Julia; Schröder, Clara [Übers.]
Jean Francois Millet: sein Leben und seine Briefe — Leipzig: Hermann Seemann Nachfolger, 1903

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.61218#0109
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Paris.

85

glücklicherweise von der Jury des Salon zurück-
gewiesen. Couture bewunderte es sehr, sowohl die
Idee, wie die Ausführung. Aber als Millet sich im
folgenden Jahre in Verlegenheit um Leinwand befand,
malte er ein neues Bild — Oedipus — auf dieselbe
Leinwand, und von seinem Hieronymus blieb nichts
übrig. Der Knabe Oedipus — von einem Hirten
losgebunden — wird von einem jungen Weib in den
Arm genommen, das Bild war, wie der Künstler
selbst zugab, nur ein Vorwand zur Darstellung des
Nackten, in welcher Millets Stärke lag. Es ist eine
prächtige Studie der Form und Farbe, die von Michel-
angelos Einfluss zeugt. Das Bild erregte 1847 grosses
Aufsehen im Salon und wurde von Gautier und Thore
als eine auffallende Arbeit bezeichnet.
In dieser Zeit seiner Laufbahn war Millet haupt-
sächlich durch seine Nymphen und Faune berühmt,
seine Kollegen nannten ihn »Le Maitre du Nu«.
Badende oder ruhende Frauen, spielende Kinder in
blumigen Wiesen, tanzende Mädchen und Jünglinge,
das waren die Motive der Zeichnungen und Pastelle,
die er für Deforge und Durand-Ruel und andere Kunst-
händler anfertigte. Das kleine Bild eines nackten
schlafenden Mädchens, welches von einem Faun be-
obachtet wird, entzückte Diaz so, dass er es sofort
kaufte. Aber den grössten Beweis seines Könnens
in dieser Richtung liefert das berühmte kleine Bild
»L’amour Vainqueur«, vier Kinder, die eine Nymphe
durch eine Waldlichtung zerren. Die Bewegung der
lachenden Kinder, die Formen der goldhaarigen Nymphe
sind mit meisterhafter Kunst dargestellt, während die
Schönheit des Kolorits, die feine Wirkung der blauen
Gewandung gegen die warmen Fleischtöne und die
tiefe Glut des Hintergrundes an die Kunst eines Tizian
 
Annotationen