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Verlag Bruno Cassirer
Almanach: auf das Jahr ... — 1926

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Aus "Tolstojs Flucht und Tod". Geschildert von seiner Tochter Alexandra
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https://doi.org/10.11588/diglit.70233#0032
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Almanach 1926

„Ich fürchte, man wird uns noch überraschen, und
dann ist alles verloren; denn ohne Zwischenfall werde
ich dann nicht fortkommen.“
Endlich waren die Pferde angespannt, der Kutscher
angekleidet, und Filja, der Stallknecht, sprang, eine Fackel
in der Hand haltend, auf den Bock.
„Los!“
„Halt! Halt!“ schrie ich. „Halt, Papa, lasse mich dich
noch küssen!
„Leb’ wohl, mein Täubchen, wir sehen uns bald wieder“,
sagte er. „Fahre los!“
Die Kutsche setzte sich in Bewegung, sie fuhr nicht
am Hause vorbei, sondern schlug den geraden Weg ein,
der durch den Garten zum sogenannten „Prospekt“ führte.
Alles das geschah so schnell, so überraschend, daß ich
mir von dem Geschehenen keine klare Vorstellung machen
konnte. Erst jetzt, als ich in der Dunkelheit bei dem
Pferdestall zurückblieb, kam es mir zum erstenmal zum
Bewußtsein, daß der Vater von Jasnaja-Poljana ganz fort-
gegangen sei, vielleicht für immer. Es kam mir der Ge-
danke : wenn ich ihn nun gar nicht mehr wiedersehen
sollte . . . ?
Es war ungefähr fünf ühr morgens, als ich mit War-
wara Michailowna in das Haus zurückkehrte. Mit starkem
Herzklopfen suchten wir unser Zimmer auf und saßen
hier, die Stunden zählend, bis acht Uhr. Dann atmeten
wir erleichtert auf, da wir ausgerechnet hatten, daß der
Zug, mit dem der Vater fahren sollte, jetzt abgegangen
sein müsse. Ich suchte Ilja Wassiljewitsch1) auf.
„Wo ist Leo Nikolajewitsch?

x) Ilja Wassiljewitsch Sidorkow — der Diener des Vaters.
 
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