Lewis Mumford: Handwerk und Maschine
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Die Kunst ist tatsächlich einer der Hauptwege, auf dem
wir dem verderblichen Kreislauf ökonomischer Betrieb-
samkeit entgehen. Wenn wir den Nationalökonomen von
Fach hören, so hat unser ökonomisches Leben nur drei
Phasen: Erzeugung, Verteilung und Verbrauch. Wir
arbeiten, um zu essen, und wir essen, um arbeiten zu
können. Dieses Bild stimmt einigermaßen für das Leben
einer sich entwickelnden Industriestadt, paßt aber keines-
wegs auf die ökonomichen Verhältnisse in einer zivilisier-
ten Gemeinschaft. Überall, selbst in ungünstigen Gegen-
den, entsteht aus der Produktion etwas Besseres als bloßes
Einkommen und bloße Kapitalsanhäufung: hier ist es
Wohlleben und Schauspiel, dort Religion, Philosophie und
Wissenschaft, und hin und wieder ist es Kunst. Dem
Prozeß der Vergeudung und Zerstörung wird in der Er-
schaffung eines Kunstwerks von dauerndem Wert Einhalt
getan, daher ist der einzige sittliche Prüfstein für das
ökonomische Leben einer Gemeinschaft nicht, ob unend-
lich viel produziert wird, sondern ob der Wert der ge-
schaffenen Dinge Aussicht auf Dauer hat. Eine Gemein-
schaft mit einer niedrigen Produktionsquote und einem
hohen Schaffensniveau wird auf die Dauer materiell
reicher sein als eine moderne Stadt, in der die Industrie-
gewinne in vergänglichen, unfruchtbaren Ausgaben ver-
zettelt werden. Ausschlaggebend ist das Verhältnis von
Produktion zum Schaffen von Werten.
Hierin liegt die Existenzberechtigung des modernen
Architekten. Ist ihm auch das eigentliche Bauen im
früheren Sinne versagt, so bleibt ihm doch allein unter
den modernen Handwerkern jener innere Zusammenhang
mit dem ganzen Komplex, der die Alten mit ihrem be-
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Die Kunst ist tatsächlich einer der Hauptwege, auf dem
wir dem verderblichen Kreislauf ökonomischer Betrieb-
samkeit entgehen. Wenn wir den Nationalökonomen von
Fach hören, so hat unser ökonomisches Leben nur drei
Phasen: Erzeugung, Verteilung und Verbrauch. Wir
arbeiten, um zu essen, und wir essen, um arbeiten zu
können. Dieses Bild stimmt einigermaßen für das Leben
einer sich entwickelnden Industriestadt, paßt aber keines-
wegs auf die ökonomichen Verhältnisse in einer zivilisier-
ten Gemeinschaft. Überall, selbst in ungünstigen Gegen-
den, entsteht aus der Produktion etwas Besseres als bloßes
Einkommen und bloße Kapitalsanhäufung: hier ist es
Wohlleben und Schauspiel, dort Religion, Philosophie und
Wissenschaft, und hin und wieder ist es Kunst. Dem
Prozeß der Vergeudung und Zerstörung wird in der Er-
schaffung eines Kunstwerks von dauerndem Wert Einhalt
getan, daher ist der einzige sittliche Prüfstein für das
ökonomische Leben einer Gemeinschaft nicht, ob unend-
lich viel produziert wird, sondern ob der Wert der ge-
schaffenen Dinge Aussicht auf Dauer hat. Eine Gemein-
schaft mit einer niedrigen Produktionsquote und einem
hohen Schaffensniveau wird auf die Dauer materiell
reicher sein als eine moderne Stadt, in der die Industrie-
gewinne in vergänglichen, unfruchtbaren Ausgaben ver-
zettelt werden. Ausschlaggebend ist das Verhältnis von
Produktion zum Schaffen von Werten.
Hierin liegt die Existenzberechtigung des modernen
Architekten. Ist ihm auch das eigentliche Bauen im
früheren Sinne versagt, so bleibt ihm doch allein unter
den modernen Handwerkern jener innere Zusammenhang
mit dem ganzen Komplex, der die Alten mit ihrem be-