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DIE SAMMLUNG STERN

Privatsammlungen entstehen in sehr verschiedener Weise. Die Motive des
Sammelns sind mannigfaltig und die Persönlichkeiten der Sammler stehen
oft mit starken Gegensätzen nebeneinander. Es gibt Kunstsammlungen des
lauten Ehrgeizes und es gibt solche, die einer verschwiegenen, einer sich fast vor
der Öffentlichkeit verbergenden Passion ihr Dasein verdanken; es gibt Sammlungen,
hinter denen ein geschäftliches Interesse verborgen ist, und andere, deren Ursprung
der Wunsch ist, Künstlern das Leben und das Schaffen zu erleichtern. Die Samm-
lung Stern steht diesem letzten Motiv nahe. Aber sie hat daneben noch einen
besonderen Zug. Bezeichnend ist es schon, daß man als Schöpfer dieser Sammlung
nicht wohl den Bankdirektor Julius Stern allein ansprechen darf, sondern daß man
mit gleichem Nachdruck den Namen seiner Frau, Malgonie Stern, nennen muß.
Dem Manne war eine reine, eine fast kindliche Freude an der Kunst und ein
großes Wohlwollen für talentvolle Künstler eigen; die Frau war eine ungewöhnlich
intelligent malende Dilettantin, mit starkem kritischen Sinn begabt und mit der
rechten Freude am künstlerischen Handwerk. Das Ehepaar lebte an sichtbarer
Stelle in der Berliner Gesellschaft und machte sein Haus zu einem Mittelpunkt
freier Geselligkeit. Vor allem traf man dort Künstler und Kunstfreunde. Und
aus der Atmosphäre dieser kunstliebenden Gesellschaft heraus entstand wie von
selbst die Sammlung. Sie ist niemals Selbstzweck gewesen; sie ist der Nieder-
schlag freundschaftlichen Verkehrs und eines menschlichen Interesses. Das
Ehepaar kaufte Bilder dei- Künstler, mit denen es verkehrte; das war der Anfang.
Es unterstützte die ringende neue Kunst und die emporstrebenden Künstler, indem
es auf den Jahresausstellungen oder in den Ateliers eben vollendete Werke erwarb.
Diese Art, rücksichtsvoll, herzlich und helfend zu kaufen, hätte zu schlimmen
Mißkäufen führen können, wenn die Sammler nicht instinktiv immer nur die
talentvollen Maler und Bildhauer, die ganz lebendigen jungen Talente gesucht
hätten, wenn sie in ihrem Verkehr mit den Künstlern nicht stets ein sicheres
Qualitätsgefühl an den Tag gelegt hätten. Es hat sich wie von selbst gemacht, daß
die Zusammenkünfte im Hause Stern etwas wie Sezessionsgesellschaften waren;
und die Folge ist, daß die Sammlung die Berliner Sezessionskunst der Jahre
zwischen 1890 und 1910 etwa gut darstellt. Das gibt der Sammlung sowohl eine
Note unbedingter Modernität wie auch den Charakter des Berlinischen. Das gibt
 
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