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Kunstsalon Paul Cassirer [Editor]; Hugo Helbing [Editor]; Hugo Helbing (Firma) [Contr.]
Ausstellung / Paul Cassirer ; Hugo Helbing: Die Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes: Gemälde und Zeichnungen deutscher und französischer Meister des XIX. Jahrhunderts; Versteigerung: 3. März 1925, 4. März 1925 — Berlin: Cassirer, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53576#0009
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Wurf. Zwei Jahre später entsteht die „Italienische Landschaft mit Eseltreiberin“,
meisterhaft in der Einheitlichkeit der malerischen Gesamtstimmung, intim und
zart, wie Richter, aber freier im Blick, größer im Griff und geschlossener im
Kolorit. Die große an Courbets „Demoiselles au Village“ zufällig erinnernde,
durch Peter Hebels „Morgenstern“ angeregte Komposition des „Morgengrußes“
von 1871 gehört zu der nicht sehr langen Reihe von Bildern, in denen Thoma
seinen bedeutenden selbstgewachsenen Figurenstil im Pleinair entwickelte, ganz
programmlos, ganz aus Naturgefühl und Anschauungsfreude. So reich erschien
dem Künstler dieses Motiv, daß er es mehrmals behandelte, einmal, zwei Jahre
später, in verkürzter Form auch als Hochformat. Daß deutsche Märchenillustra?
tion guteMalerei nicht unbedingt ausschließt, zeigt die noch sehr anschauungsfrohe
„Genovefa“ vom Jahre 1879, und daß man, falls man echter Künstler ist, auch
vor fremder Landschaft immer nur der ist, der man von Anfang an war, zeigt die
schöne Ansicht vom „Lago Maggiore“ mit dem Sasso di Ferro, die 1880 in Stresa
entstand. Solche aus südlicher Anschauung gewonnene Stärke der Linie führte
den Künstler dann später zu jener Art von Stilbildern, für die das „Meeresidyll“
mit Putten und Delphinen, aus dem Jahre 1887, ein Beispiel gibt.
Das von Thoma aufgehäufte Kunstkapital ward nach verschiedenen Seiten
hin ausgebaut und nicht nur von Nachahmern verwaltet. Karl Haider, zu
Lebzeiten nur von wenigen beachtet, verstärkte den Figurenstil mit eisernem
Willen und manchmal bis zu einer an Altdeutsches gemahnenden herben Trotzig?
keit, steht aber auch hierin hoch über dem etwas geistesverwandten, indessen
eklektisch geschwächten Boehle. In seinen Landschaften, auch den italienischen,
wirkt er bisweilen düster schwermütig, aber unpathetisch. Das Pathos vor der
Landschaft war mehr AdolfStäblis, des Schweizers, Sache. ToniStadler,
aus Österreich, setzte Thomas lyrischen Landschaftsstil, mit moderneren male?
rischen Tendenzen glücklich und sehr liebenswürdig fort. Louis E y s e n, der
mit Thoma befreundet war, aber sich nicht beeinflussen ließ, entwickelte ein
eigenes Genre im kleinfigurigen Bildnis von ausgezeichneter malerischer Haltung
und einer fast weltmännischen Noblesse. Er und Theodor Alt, der im
Motivischen Thoma oft nahesteht, bemühen sich um eine Malerei, wie sie Leibi
liebte. Theodor Alts „Großmutter und Enkelkind“ ist nicht nur in dem schönen
Beiwerk des Stillebens voll von jener Pracht des malerischen Tones, durch die
der junge Leibi um 1870 herum die Welt so überraschte, sondern enthüllt auch in
den Figuren, besonders im Kinderkopf diese Mischung von energischer Form und
malerischem Schmelz, die Leibi zu immer größerer Höhe führte.
Wenn auch von Leibi selbst Kunstwerke fehlen — sie sind, da das
Oeuvre klein ist, fast alle längst in fester Hand — so geben doch immerhin einige
 
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