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Kunstsalon Paul Cassirer [Editor]; Hugo Helbing [Editor]; Hugo Helbing (Firma) [Contr.]
Ausstellung / Paul Cassirer ; Hugo Helbing: Die Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes: Gemälde und Zeichnungen deutscher und französischer Meister des XIX. Jahrhunderts; Versteigerung: 3. März 1925, 4. März 1925 — Berlin: Cassirer, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.53576#0015
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obachtung, der impressionistischen Niederschrift praktisch anerkannte. Lieber*
mann ist in diesem Sinne „moderner“, mehr Vertreter seiner Zeit, als Trübner.
So sieht der Fall entwicklungsgeschichtlich aus. Heute, wo einem die Entwick*
lungsgeschichte vergleichsweise uninteressant geworden ist, wo man mehr als die
Richtung die Persönlichkeit, das Individuum, seine Kraft und sein Temperament
sucht, erfreut man sich vielleicht noch unbefangener an diesen Werken, als da*
mals, wo noch um sie gekämpft wurde und wo noch Kampf und Sieg am Genuß
mitbeteiligt waren.
Liebermann ist mit vielen Seiten seines Talents in dieser Sammlung
vertreten. Der alte Liebermann, der sich manchmal mühsam aus dem tiefen
schönen Dunkel derMunkacsy*Zeit herausarbeiten mußte, mit einem Mehrfiguren*
bild, der „Spinnstube“ um 1880. Defregger besaß dies Bild einst. Man versteht,
weshalb. Nicht als ob Liebermann hier Konzessionen machte; das tat er nie. Er
ist immer bei der Sache. Aber das Bild hat auch für seine eigenen Verhältnisse
noch einen gewissen Anflug von Altmeisterlichem. Das Unposierte erscheint
etwas zu absichtsvoll betont. Worauf Liebermann damals eigentlich hinauswollte,
sieht man an dem bezaubernden „Kinderspielplatz im Luxemburg*Garten“, im
Jahre 1880 gemalt. Vielleicht wäre diese Impression, die ihn zwei Jahre vorher an
dieser Stelle auch schon einmal gereizt hatte, für sein damaliges Gefühl ein Neben*
werk. Aber Nebendinge werden im Laufe der Zeit oft nachher zu Hauptsachen.
Der Meister der „Biergärten“ war auch damals schon geboren. Die „Studie“ des
Wirtsgartens in Etzenhausen ist 1879 datiert. Auf diesen luminaristischen Stil kam
er dann um die Mitte der neunziger Jahre zurück, nachdem er die Reihe der Groß*
figurenbilder geschaffen hatte. Sein kleines Bild des „Landhauses“ vom Jahre 1895
ist schon eine Perle dieser Art. Ein Meisterwerk aber der Garten in Noordwijk,
den Liebermann an seinem 60. Geburtsjahre, 1907, malte. Die dunkelglühende
schattige Poesie eines alten holländischen Villengartens, bereichert durch die wie
kostbare Juwelen funkelnden bunten Farben der Blumenbeete und gebändigt
durch das noble Weiß — solche Harmonie, so weich und so einheitlich, so naiv in
der Anschauung und so kultiviert im malerischen Vortrag, ist das Resultat einer
besonders glücklichen Inspiration. Die Gratulanten mochten warten. Um die
Mitte der 90 er Jahre begann Liebermann auch Freilichtstudien am Meere zu
malen. Seinen hellen, mit Frankreich sich zunächst nur lose berührenden Im*
pressionismus zeigt seine „Dame am Strande“. Als Porträtist ist der Künstler
sich selber immer wieder das interessanteste Modell. Auch der eigenen Physio*
gnomie gegenüber wuchs mit den Jahren seine Auffassung im Menschlichen.
Max Slevogts Kunst, zwei Jahrzehnte jünger als die Liebermanns,
scheint den Besitzer dieser Sammlung nicht allzusehr interessiert zu haben. Nur
 
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