Metadaten

Kunstsalon Paul Cassirer [Hrsg.]; Hugo Helbing [Hrsg.]; Hugo Helbing (Firma) [Mitarb.]
Ausstellung / Paul Cassirer ; Hugo Helbing: Die Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes: Gemälde und Zeichnungen deutscher und französischer Meister des XIX. Jahrhunderts; Versteigerung: 3. März 1925, 4. März 1925 — Berlin: Cassirer, 1925

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53576#0016
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
aus den letzten Jahren, besonders aus dem auch malerisch so überaus glücklichen
und fruchtbaren Pfälzer Sommer 1921, sind einige vollgültige Arbeiten seiner
Hand vorhanden. Das andre sind Proben.
Dagegen ist nun aber Lovis Corinths Werk mit wahrer Leidenschaft
von diesem Amateur gesammelt worden. In dem Viertelhundert der hier ver?
einigten Bilder kann man alle Äußerungen dieses mächtigen Talentes kennen
lernen, dieses Künstlers, der von der heutigen Künstlerjugend fast noch über
Liebermann gestellt wird. Wenn es wahr ist, daß der Vortrag des Meisters Glück
macht, gibt es heute keinen glücklicheren Maler in Deutschland als Lovis Corinth.
Sein angeborenes Malertum und sein Handgelenk, seine Furia und seine jubelnde
Begeisterung am Rausch von Licht und Farbe haben nicht ihresgleichen. Manch;
mal aber, in besonders glücklichen Stunden, gibt Corinth noch mehr; dann rüttelt
er, bei Menschendarstellungen, an Pforten, die sonst verschlossen sind und wirkt
geheimnisvoll, ja unheimlich. Und dies wird es sein, was ihn unserer Jugend so
besonders verehrungswürdig macht, nicht nur dieses unbegreifliche Malenkönnen.
Man muß Corinths im Jahre 1890 entstandene „Susanne“ mit der „Versuchung“
von 1908 vergleichen, um zu sehen, wieviel Schule, allerdings beste Schule der
Künstler zu überwinden hatte, ehe er ganz zu sich selbst kam. Und wenn man
vor den Meisterleistungen reiner Malerei steht, die um 1912 herum entstanden,
dieser „Märchenerzählerin“ zum Beispiel, die als helle Harmonie von gleicher
Pracht ist wie das dunkelglühende Meisterwerk des Bildnisses der Frau Schreiber,
dann meint man, höher hinauf gehe die Entwicklung nun nicht mehr. Aber
Corinths zweite Jugend, dieses erstaunlichste Phänomen in der Lebensgeschichte
des Alternden, durch schwere Krankheit zeitweise Heimgesuchten, straft solche
Meinungen Lügen. Die „Spätwerke“, Landschaften wie die bunte Nebellandschaft
vom „Starnberger See“ oder das Stilleben, oder Bildnisse wie das des Dichters
Herbert Eulenberg vom Jahre 1918 sind noch freier im Stil, noch lockerer in der
Malerei, noch größer in der Auffassung und noch rauschender in Licht und Farbe.
Von diesem späten Corinth ist der Schritt zu Kokoschka nicht sehr
groß. Kokoschka ringt heute um die Meisterschaft. Der Weg von dem Damen?
bildnis zum Bildnis der Mutter, von da zur „Eiblandschaft“ und dem „Sommer“,
im Zeitraum etwa eines Jahrzehnts durchschritten, bedeutet starke persönliche
Entwicklung. Das ursprünglich Vorhandene, der lebendige geistige Ausdruck,
anfangs bisweilen etwas unvermittelt gegeben, ward in immer reichere Malerei
umgesetzt. Die reine leuchtende Farbigkeit, die harmonisch glühende Buntheit
der Palette und die leidenschaftliche Ausbildung dieser Elemente geht Hand in
Hand mit immer stärker werdender Form. Als Kolorist zeitweise von Nolde
angeregt, der in dieser Sammlung mit einem Stilleben auftritt, wandte er sich, als
 
Annotationen