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benden komischen Verwicklungen, aber er bat das Thema farbiger ge-
staltet, indem er an Stelle von Plautus’ Knaben Bruder und Schwester
setzt. Das Stück, das mit den Anforderungen der Bühne rechnet, bat
einen sehr lebendigen Dialog; die vielen Zoten muss man der im Anfang
des XVI. Jahrhunderts herrschenden Geschmacksrichtung zugute halten.
Es trägt den Titel „Calandria“, nach den dummen Streichen eines tö-
richten Ehemannes, den alle, seine Frau an der Spitze, betrügen.
Bibbiena hatte zuerst in politischen Dingen grossen Einfluss auf den
Papst, besonders da er wie Leo X. ein Anhänger Spaniens war und mit
den Idealen des Papstes übereinstimmte. Nach Franz I. Siegen ging der
Kardinal, im Interesse der Medici, zur französischen Partei über und
blieb dieser Richtung treu, selbst als der Papst es weiter mit Spanien
hielt. Während der Papst zögerte, ob er mit Frankreich oder Spanien
gehen solle, starb Bibbiena am 9. November i5ao. Man hat Leo X.
verdächtigt, sich seiner durch Gift entledigt zu haben, da der Kardinal
mit französischer Hilfe Papst werden wollte. Es hiess, man habe ein
Gift benützt, das allgemein „la volpe“ genannt wurde: einer Eierspeise
wurde ein langsam wirkendes Gift beigemischt. Dieser Verdacht ent-
behrt jeglicher Grundlage. Bibbiena war seit längerer Zeit krank und
ist wahrscheinlich eines natürlichen Todes gestorben. Der Einfluss des
Kardinals auf Leo X. war in den letzten Jahren zurückgegangen, der
Hauptberater des Papstes war Giulio de1 Medici geworden, der nament-
lich den politischen Kurs bestimmt hat. Bibbiena bleibt trotz all seiner
Fehler und Schwächen eine der sympathischsten und interessantesten
Persönlichkeiten an Leos X. Hof.

VI.
Die Herrschaft der Kamarilla, das rücksichtslose Bevorzugen der
Florentiner, die die vorteilhaftesten Ämter ergatterten, musste die
Kardinäle empören und zu einer Katastrophe führen. Besonders der
junge Kardinal Alfonso Petrucci sann auf Rache; er hatte am meisten
zu Leos X. Wahl beigetragen und glaubte ein Anrecht auf die Dank-
barkeit des Papstes und die vielen Gnaden zu haben, mit denen der
Papst die Seinen so reichlich bedachte. Alfonsos Vater, Pandolfo Pe-
trucci, war der Tyrann von Siena, und sein Bruder Borghese nahm
nach dem Vater die wichtigste Stellung in der Republik ein. Da er sich
jedoch nicht in allem den Medici fügen wollte, die die Absicht hatten,
 
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