PIETRO ARETINO
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Trotz der Anwesenheit der alten Zaffetta wurde bei diesen Zusam-
menkünften von ernsten Dingen gesprochen, selbst von den Predigten
des hl. Markus, die Tizian besonders interessierten. Aretino stand bei
den Dominikanern in grosser Gunst, sie nahmen in diesen für die Kir-
che schweren Zeiten den Satiriker gern in Anspruch, wenn es galt, ge-
gen die Reformation zu kämpfen. Auch der Prior der Karmeliter war
Aretinos häufiger Gast.
Seinen vierten Brief!»and gab Aretino 1549 heraus, er trug noch mehr
zu seinem Ruhm bei. Spanische Granden schickten ihm damals eine
grosse, goldgefasste Achatmedaille mit dem Laokoon. Das seltsamste
Geschenk erhielt er jedoch von einigen Verehrern seines Talents ausser-
halb Venedigs: einige schöne Landmädchen zur Bedienung. In Aretinos
Haus gab es aber über die Zahl der dort befindlichen Menschen hinaus
keinen Platz mehr, infolgedessen trat der Alte diesen Neuerwerb an
Tizian ab, der ein grosses Haus hatte.
Diese friedlichen Jahre hat Aretino ein Literat namens Doni, eine
der widerwärtigsten Gestalten des Cinquecento, getrübt. Doni stammte
aus Florenz, war ein unruhiger Geist und konnte nicht lange in dem
einen Beruf ausharren, er war zuerst Mönch und weltlicher Geistlicher,
dann Drucker und kam 1547 a^s Literat nach Venedig, dort nahm ihn
Aretino auf und half ihm, sich eine Stellung zu schaffen. Doni galt als
Einfaltspinsel, da er gelegentlich im Hemd auf die Strasse lief und sich
benahm, als wenn er nicht ganz bei Verstand wäre; aber er war auch
für seine scharfe Zunge bekannt. Zuerst verehrte er Aretino, pries ihn
in all seinen Schriften, nannte ihn das Schwert der Gerechtigkeit, aber
bald änderte er seine Ansicht und schrieb eine ausserordentlich giftige
Broschüre gegen ihn. Das Buch trug den Titel „II Terremoto del Doni
fiorentino, con la rovina d’un gran colosso, bestiale Aretino“ usw. und
scheint mit der Absicht geschrieben, Aretino beim Fürsten Guidohaido
und Cosimo Medici zu verleumden und sich an seiner Stelle in ihre
Gunst zu drängen. Der Verfasser hat die Briefform für seine Schmäh-
schrift gewählt, er wendet sich an die massgebenden, damaligen Per-
sönlichkeiten, an Paul IV., Karl V., den Dogen und Guidobaldo von
Urbino, er nennt Aretino den König der Esel, einen aus dem Kot stam-
menden Menschen, den Schandflecken der Republik Venedig, einen
Jettatore, dessen Blick Unheil stiftet. Diese Broschüre machte nur ge-
ringen Eindruck, da man wusste, dass literarischer Neid dahinterstand.
Auch Aretino rührte sie wenig, da er von Jugend an derartige Beiei-
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Trotz der Anwesenheit der alten Zaffetta wurde bei diesen Zusam-
menkünften von ernsten Dingen gesprochen, selbst von den Predigten
des hl. Markus, die Tizian besonders interessierten. Aretino stand bei
den Dominikanern in grosser Gunst, sie nahmen in diesen für die Kir-
che schweren Zeiten den Satiriker gern in Anspruch, wenn es galt, ge-
gen die Reformation zu kämpfen. Auch der Prior der Karmeliter war
Aretinos häufiger Gast.
Seinen vierten Brief!»and gab Aretino 1549 heraus, er trug noch mehr
zu seinem Ruhm bei. Spanische Granden schickten ihm damals eine
grosse, goldgefasste Achatmedaille mit dem Laokoon. Das seltsamste
Geschenk erhielt er jedoch von einigen Verehrern seines Talents ausser-
halb Venedigs: einige schöne Landmädchen zur Bedienung. In Aretinos
Haus gab es aber über die Zahl der dort befindlichen Menschen hinaus
keinen Platz mehr, infolgedessen trat der Alte diesen Neuerwerb an
Tizian ab, der ein grosses Haus hatte.
Diese friedlichen Jahre hat Aretino ein Literat namens Doni, eine
der widerwärtigsten Gestalten des Cinquecento, getrübt. Doni stammte
aus Florenz, war ein unruhiger Geist und konnte nicht lange in dem
einen Beruf ausharren, er war zuerst Mönch und weltlicher Geistlicher,
dann Drucker und kam 1547 a^s Literat nach Venedig, dort nahm ihn
Aretino auf und half ihm, sich eine Stellung zu schaffen. Doni galt als
Einfaltspinsel, da er gelegentlich im Hemd auf die Strasse lief und sich
benahm, als wenn er nicht ganz bei Verstand wäre; aber er war auch
für seine scharfe Zunge bekannt. Zuerst verehrte er Aretino, pries ihn
in all seinen Schriften, nannte ihn das Schwert der Gerechtigkeit, aber
bald änderte er seine Ansicht und schrieb eine ausserordentlich giftige
Broschüre gegen ihn. Das Buch trug den Titel „II Terremoto del Doni
fiorentino, con la rovina d’un gran colosso, bestiale Aretino“ usw. und
scheint mit der Absicht geschrieben, Aretino beim Fürsten Guidohaido
und Cosimo Medici zu verleumden und sich an seiner Stelle in ihre
Gunst zu drängen. Der Verfasser hat die Briefform für seine Schmäh-
schrift gewählt, er wendet sich an die massgebenden, damaligen Per-
sönlichkeiten, an Paul IV., Karl V., den Dogen und Guidobaldo von
Urbino, er nennt Aretino den König der Esel, einen aus dem Kot stam-
menden Menschen, den Schandflecken der Republik Venedig, einen
Jettatore, dessen Blick Unheil stiftet. Diese Broschüre machte nur ge-
ringen Eindruck, da man wusste, dass literarischer Neid dahinterstand.
Auch Aretino rührte sie wenig, da er von Jugend an derartige Beiei-