BALDASSARE CASTIGLIONE
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gliones, Cesare Gonzaga. Da Urbino wieder in Guidobaldos Besitz ge-
langte und die Hoffnung bestand, das dortige Schloss würde wieder ein
Zentrum literarischen und höfischen Lebens werden, wünschte der junge
Baldassare sehnlichst, an den Hof des Herzogs zu gelangen. Er hatte
keine Lust, in das langweilige Mantua zurückzukehren, ihn reizte die
Gesellschaft der Literaten und schönen Frauen in Urbino. Er wusste,
dass die Gonzaga diesen Schritt sehr missbilligen würden, aber die Ver-
suchung war zu gross, um ihr widerstehen zu können. Die Fürsten der
kleinen italienischen Staaten haben es sehr ungern gesehen, wenn Hof-
leute, die durch Familientradition und Pflichten der Dankbarkeit an
sie gebunden waren, sie verliessen, um anderen Höfen zu dienen. Ca-
stigliones Schuld gegen die Gonzaga war um so grösser, als seine Mutter
der Markgräfin Isabella besonders nabestand, und er dank seiner Be-
gabung die Hoffnung erweckte, einst die Zierde des Hofes zu bilden.
Um den Markgrafen einigermassen zu versöhnen, fuhr er nach Mantua,
bat Gonzaga um die Erlaubnis, in Guidobaldos Dienst zu treten, und
nahm Abschied von seiner Mutter. Gleichzeitig bat auch der Herzog
von Urbino den Markgrafen brieflich,Castiglione freizugeben; Gonzaga
konnte diese Bitte nicht abschlagen, um so weniger als es sich um einen
ihm verwandten Hof handelte. Aber das Vorgehen des jungen Baldassare
verletzte ihn tief und nahm ihn gegen ihn ein. Castiglione konnte aus
Furcht vor Gonzagas Rache nicht mehr nach Mantua zurückgehen,
er hoffte, Isabella d1 Este, die ihm sehr freundlich gesinnt war, würde
allmählich Francesco Gonzaga mit ihm versöhnen. Castiglione nannte
Isabella stets die Stütze seiner Familie, „la colonna nostra“.
Er konnte nicht direkt von Mantua nach Urbino gehen, es galt für
ihn erst, seiner Wehrpflicht zu genügen, da Guidobaldo dies zur Be-
dingung gestellt hatte. Cesare Borgia, der in der Romagna besiegt und
gefangen worden war, hatte sich durch seine Unterschrift verpflichtet,
dem Papst die Festungen Forli und Cesena wieder herauszugeben. Als
der päpstliche Cameriere nach Cesena kam und den Befehl gab, das
Tor zu öffnen, erklärte der dortige Kommandant, der Cesare treu ge-
blieben war, er würde das Schloss dem Bevollmächtigten der Kurie erst
übergeben, wenn Borgia freigelassen wäre. Da Julius II. Forderungen
dieser Art nicht berücksichtigen konnte, galt es gegen das störrische
Cesena zu rüsten und das Schloss zu erobern. Mit dieser Aufgabe hatte
der Papst Guidobaldo betraut, der sich jetzt für Urbino erkenntlich zu
zeigen hatte. Der Herzog bestimmte auch Castiglione für diese kleine
Rom I
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gliones, Cesare Gonzaga. Da Urbino wieder in Guidobaldos Besitz ge-
langte und die Hoffnung bestand, das dortige Schloss würde wieder ein
Zentrum literarischen und höfischen Lebens werden, wünschte der junge
Baldassare sehnlichst, an den Hof des Herzogs zu gelangen. Er hatte
keine Lust, in das langweilige Mantua zurückzukehren, ihn reizte die
Gesellschaft der Literaten und schönen Frauen in Urbino. Er wusste,
dass die Gonzaga diesen Schritt sehr missbilligen würden, aber die Ver-
suchung war zu gross, um ihr widerstehen zu können. Die Fürsten der
kleinen italienischen Staaten haben es sehr ungern gesehen, wenn Hof-
leute, die durch Familientradition und Pflichten der Dankbarkeit an
sie gebunden waren, sie verliessen, um anderen Höfen zu dienen. Ca-
stigliones Schuld gegen die Gonzaga war um so grösser, als seine Mutter
der Markgräfin Isabella besonders nabestand, und er dank seiner Be-
gabung die Hoffnung erweckte, einst die Zierde des Hofes zu bilden.
Um den Markgrafen einigermassen zu versöhnen, fuhr er nach Mantua,
bat Gonzaga um die Erlaubnis, in Guidobaldos Dienst zu treten, und
nahm Abschied von seiner Mutter. Gleichzeitig bat auch der Herzog
von Urbino den Markgrafen brieflich,Castiglione freizugeben; Gonzaga
konnte diese Bitte nicht abschlagen, um so weniger als es sich um einen
ihm verwandten Hof handelte. Aber das Vorgehen des jungen Baldassare
verletzte ihn tief und nahm ihn gegen ihn ein. Castiglione konnte aus
Furcht vor Gonzagas Rache nicht mehr nach Mantua zurückgehen,
er hoffte, Isabella d1 Este, die ihm sehr freundlich gesinnt war, würde
allmählich Francesco Gonzaga mit ihm versöhnen. Castiglione nannte
Isabella stets die Stütze seiner Familie, „la colonna nostra“.
Er konnte nicht direkt von Mantua nach Urbino gehen, es galt für
ihn erst, seiner Wehrpflicht zu genügen, da Guidobaldo dies zur Be-
dingung gestellt hatte. Cesare Borgia, der in der Romagna besiegt und
gefangen worden war, hatte sich durch seine Unterschrift verpflichtet,
dem Papst die Festungen Forli und Cesena wieder herauszugeben. Als
der päpstliche Cameriere nach Cesena kam und den Befehl gab, das
Tor zu öffnen, erklärte der dortige Kommandant, der Cesare treu ge-
blieben war, er würde das Schloss dem Bevollmächtigten der Kurie erst
übergeben, wenn Borgia freigelassen wäre. Da Julius II. Forderungen
dieser Art nicht berücksichtigen konnte, galt es gegen das störrische
Cesena zu rüsten und das Schloss zu erobern. Mit dieser Aufgabe hatte
der Papst Guidobaldo betraut, der sich jetzt für Urbino erkenntlich zu
zeigen hatte. Der Herzog bestimmte auch Castiglione für diese kleine
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