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BERNINI

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Das spätere Barock nannte man den Jesuitenstil, und diese Bezeich-
nung hat viel für sich. Ebenso wie sich der Franziskanerorden zu Be-
ginn der Renaissance entwickelt und Kirchen gebaut hat, breitete sich
in der zweiten Hälfte des XVI. und im XVII. Jahrhundert die Gesell-
schaft Jesu aus und nahm schnell an Macht und Reichtum zu. Jesuiten-
kirchen entstanden in jeder grösseren Stadt, der Orden bedurfte ganzer
Legionen von Baumeistern, Malern und Bilderhauern. Haben aber
die früheren Orden die Künstler wenig oder gar nicht beeinflusst, und
war die Kunst in ihrer Hand noch kein Mittel, um auf die Geister zu
wirken, so sahen die Jesuiten in ihr ein Werkzeug für ihre Ziele. Künst-
lerische Zwecke galten ihnen nicht, sie wollten nur durch effektvolle
Bilder, durch Glanz, Gold und kostbare Steine auf die Phantasie wirken
und den Instinkt der Massen für sich gewinnen. Das Bildnis des Ordens-
gründers IgnatiusLoyola, der in bescheidener Kutte nach Rom gekommen
war, um die Bestätigung seines Ordens zu erbitten, begann man in goldne
und silberne, mit kostbaren Steinen versehene Rahmen einzufassen, so dass
das Gesicht des berühmten Mannes unter diesem Prunk fast A-erschwand.
Der alternde Bernini erlag dem Einfluss seiner Umgebung und der
von den Jesuiten ausgehenden Geistesrichtung. Natürlich unterwarf er
sich der herrschenden Richtung nicht sklavisch, sondern drückte Plastik
und Architektur den Stempel seines Talentes auf und gab seiner Epoche
ihr charakteristisches Gepräge.
Zum Reichtum und zur Fülle der Barockornamente trugen neben
den religiösen auch die aristokratischen Tendenzen des XVII. Jahrhun-
derts bei. Die damalige Aristokratie glich der späteren englischen, die
nicht nach aussen glänzen wollte, keineswegs, sie suchte durch ihre
Villen und Wappenschilder, durch Wagen und seltsame Livreen auf-
zufallen und zu blenden. Überall falscher Schein, in der Kirche, im
Palast, auf der Strasse, und hinter diesem falschen Schein verbargen
sich zum Teil Elend und Dummheit der unteren Klassen.
Nur ausnahmsweise gelang es einigen Künstlern, sich von diesem
Fieber freizumachen und Wege zu gehen, die das Barock in seinem
Beginn eingeschlagen hat, als es die Fesseln des Klassizismus sprengte
und nach Wahrheit suchte. Hier und da begegnen wir einem Werk,
das aus einem starken Gefühl für Wahrheit erwachsen ist. SoMadernas
Cecdia in Trastevere, Houdons hl. Bruno in S. Maria degli Angeli oder
dem Sebastian in der gleichnamigen Kirche an der Via Appia, von Ber-
nini entworfen und von Antonio Giorgetti ausgeführt.
 
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