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Chłe̜dowski, Kazimierz
Neapolitanische Kulturbilder XIV. - XVIII. Jahrhundert — Berlin, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.42531#0281
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„Trauernde" Königinnen 210
weiter, und Ludwig XII. führte Klage, daß Ferdinand der Katholische
ihn übervorteilt und ihn bereits zweimal belogen habe. Als man
Ferdinand diese Äußerungen hinterbrachte, sagte der König mit
größter Seelenruhe: „Der Dummkopf lügt! Ich habe ihn mindestens
zehnmal betrogen!" So stand es um Treu und Glauben der damaligen
Herrscher.

III.
Kein Wunder auch, daß im Castelcapuano in den Empfangssälen
der „trauernden Königinnen" noch lange von den Heldentaten der
dreizehn Italiener von Barletta gesprochen und Prospero Colonna
von den in Neapel zu ihrem Zeitvertreib weilenden Herren besonders
beglückwünscht wurde. Bei den gesellschaftlichen Zusammenkünften
dieses Kreises wurden nicht nur Liebesintrigen gesponnen und die
Nachrichten über die jeweiligen spanischen Waffenerfolge besprochen.
Gesang und Musik zählten zu den liebsten Zerstreuungen, die
älteren Herren und Damen widmeten sich mit Leidenschaft dem
Würfel- und Schachspiel. Eine der besten Schachpartnerinnen
war Isabella Sforza, von der es hieß, daß sie nur noch von
Isabella d’Este in Mantua in der Kunst des Brettspiels übertroffen
werde.
Man sprach hier auch von Literatur, doch zumeist nur von jenen
leichtfertigen, spanischen Erzeugnissen, die zu Petrarcas und Boccaccios
Verdruß in Italien heimisch geworden waren. Spanische Romanzen
und „Canzonieros" erfreuten sich allgemeiner Beliebtheit; es waren
Lobhymnem, voll von Phrasen, Überhebung, Stolz, höfischem
Wesen, Liebesspitzfmdigkeiten und Frauenkult, der vor allem den
Damen der Aristokratie galt. Vielleicht besaß Sanazzaro, der Dichter
des Poems „De partu virginis“, als einziger, Zutritt in die adelige
Gesellschaft Neapels, weil er spanischer Abstammung war und durch
eine einigermaßen sentimentale Veranlagung den Frauenkult zu
höchster Entfaltung brachte.
Der spanische Roman „Question de Amor", der um i5o8—i5i2
verfaßt und 1513 zum erstenmal gedruckt wurde, gibt uns eine
interessante Schilderung der Gesellschaft, die sich in den Räumen
des Castelcapuano bewegte. Der Autor der Erzählung war zweifellos
ein Spanier, der in neapolitanischen Hofkreisen verkehrte. Der
 
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