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Die Epoche der Vizekönige
größten Revolutionsgepränges vor sich. Da Masaniello sich in der
Nähe des Kardinals gesichert fühlte, ritt er mit dem Volksabgesandten
Arpajo neben Filomarinos Karosse her. In den Gassen hatten hundert-
fünfzig Volkskompanien Aufstellung genommen, die ihre Standarten
vor ihrem Tribun senkten. Vor den Toren des Palastes des Fürsten
Cellamare waren die Bildnisse Karls V. und Philipps IV. unter einem
Baldachin von der „dem Throne untertänigsten Revolution“ aufgestellt
worden, und das Volk rief: „Es lebe der König und das neapolita-
nische Volk!“
Der Vizekönigspalast war in den letzten Tagen mit Wällen und
Barrikaden umgeben worden, überall sah man Abteilungen spanischer,
wallonischer und deutscher Eandsknechte. Masaniello überzeugte sich,
daß die Regierung nicht wehrlos sei, und die erste Begegnung mit
dem regulären Militär und der strengen Hofetikette machte auf ihn
einen gewaltigen Eindruck. Vor wenigen Tagen noch ein armseliger
Fischer, sollte er heute im silbernen Gewände mit dem Vizekönig
unterhandeln! Im ersten Augenblick verlor er fast die Besinnung
und warf sich vor dem Vertreter des mächtigen Reiches auf die
Knie. Der Vizekönig hob ihn auf, umarmte ihn und führte ihn mit
dem Kardinal in den anstoßenden Thronsaal.
Inzwischen wurde die Menge draußen auf dem Platze aber
unruhig, stürmische Rufe widerhallten von den Wänden des Saales,
das Volk vermutete, Masaniello sei gefangengesetzt worden. Der Vize-
könig bat nun den Tribun, sich auf dem Balkon zu zeigen, damit
das Volk sich wieder beruhige. Masaniello trat heraus, doch fehlten
ihm die Kräfte, oder handelte es sich um eine andere Hemmung —
er trat gleich darauf wieder zurück und stürzte bewußtlos nieder.
Nachdem er sich nach einer Weile wieder erholt hatte, wurde der
Entwurfdes zwischen Volk und Regierung geschlossenen Paktes verlesen,
worauf der Fürst von Arcos dem Tribunen zum Zeichen, daß er
ihn als Volksvertreter anerkenne, eine goldene Kette um den Hals
hing und ihn bis zur Treppe zurückgeleitete. Beim Abschied fiel
Masaniello abermals aus seiner Bolle; er küßte dem Vizekönig die
Hand. Als er sich mit dem Kardinal entfernte, atmete der Fischer
erleichtert auf und kehrte, von den Eindrücken des Tages erschöpft,
in sein armseliges Heim zurück.
Das Volk hatte ihn jedoch zu hoch erhoben, als daß er auf
dieser schwankenden Höhe hätte zur Ruhe kommen können. Mitten
Die Epoche der Vizekönige
größten Revolutionsgepränges vor sich. Da Masaniello sich in der
Nähe des Kardinals gesichert fühlte, ritt er mit dem Volksabgesandten
Arpajo neben Filomarinos Karosse her. In den Gassen hatten hundert-
fünfzig Volkskompanien Aufstellung genommen, die ihre Standarten
vor ihrem Tribun senkten. Vor den Toren des Palastes des Fürsten
Cellamare waren die Bildnisse Karls V. und Philipps IV. unter einem
Baldachin von der „dem Throne untertänigsten Revolution“ aufgestellt
worden, und das Volk rief: „Es lebe der König und das neapolita-
nische Volk!“
Der Vizekönigspalast war in den letzten Tagen mit Wällen und
Barrikaden umgeben worden, überall sah man Abteilungen spanischer,
wallonischer und deutscher Eandsknechte. Masaniello überzeugte sich,
daß die Regierung nicht wehrlos sei, und die erste Begegnung mit
dem regulären Militär und der strengen Hofetikette machte auf ihn
einen gewaltigen Eindruck. Vor wenigen Tagen noch ein armseliger
Fischer, sollte er heute im silbernen Gewände mit dem Vizekönig
unterhandeln! Im ersten Augenblick verlor er fast die Besinnung
und warf sich vor dem Vertreter des mächtigen Reiches auf die
Knie. Der Vizekönig hob ihn auf, umarmte ihn und führte ihn mit
dem Kardinal in den anstoßenden Thronsaal.
Inzwischen wurde die Menge draußen auf dem Platze aber
unruhig, stürmische Rufe widerhallten von den Wänden des Saales,
das Volk vermutete, Masaniello sei gefangengesetzt worden. Der Vize-
könig bat nun den Tribun, sich auf dem Balkon zu zeigen, damit
das Volk sich wieder beruhige. Masaniello trat heraus, doch fehlten
ihm die Kräfte, oder handelte es sich um eine andere Hemmung —
er trat gleich darauf wieder zurück und stürzte bewußtlos nieder.
Nachdem er sich nach einer Weile wieder erholt hatte, wurde der
Entwurfdes zwischen Volk und Regierung geschlossenen Paktes verlesen,
worauf der Fürst von Arcos dem Tribunen zum Zeichen, daß er
ihn als Volksvertreter anerkenne, eine goldene Kette um den Hals
hing und ihn bis zur Treppe zurückgeleitete. Beim Abschied fiel
Masaniello abermals aus seiner Bolle; er küßte dem Vizekönig die
Hand. Als er sich mit dem Kardinal entfernte, atmete der Fischer
erleichtert auf und kehrte, von den Eindrücken des Tages erschöpft,
in sein armseliges Heim zurück.
Das Volk hatte ihn jedoch zu hoch erhoben, als daß er auf
dieser schwankenden Höhe hätte zur Ruhe kommen können. Mitten