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398 XI. Kapitel
in der Nacht erscholl Geschrei auf den Gassen, es hieß, das Volk
sei verraten worden, die Barone hätten Banditen gedungen, die sich
nun über die Stadt hermachten. Der Diktator befahl im Gefühl
seiner Macht, die vermeintlichen Banditen im Dunkel der Nacht zu
ergreifen und ließ vierzehn Mann ohne Verhör oder Vorverfahren
auf der Stelle köpfen.
Nun brauchte der Tribun aber einen entsprechenden Kaum, wo er
seine Befehle erteilen konnte. Bisher hatte man ihm Gesuche und
Memoranden, an einen Stock oder eine Lanze befestigt, durch das
Fenster seiner ebenerdigen Wohnung hinaufgereicht, doch nun ent-
sprach dieses „Verkehrsmittel“ der Würde Masaniellos nicht mehr;
darum wurde vor seiner Wohnung aus Brettern und Karren eine
Art „Tribüne“ errichtet, auf der er vom frühen Morgen an
„amtierte“. Der Schreiber las ihm die eingelaufenen Schriftstücke
vor, und Masaniello fällte ohne langes Besinnen seine Urteile und
gab Befehle. Seine Hauptsorge galt der Verfolgung der Spione und
Banditen, die im Dienste des Adels arbeiteten. Geistliche und
Mönche mußten sich diesem Tribunal stellen und sich entkleiden
lassen, damit festgestellt werde, ob sie tatsächlich Diener der Kirche
oder nur verkleidete Bravi seien. Allen Baronen und Ritterfamilien
wurde der Aufenthalt in der Stadt verboten, der Adel besaß keinerlei
Bürgerrechte mehr. Es entstanden völlig chaotische Zustände. Zu
diesem allgemeinen Wirrsal trug auch noch die Gründung der
sogenannten „Gesellschaft des Todes“ das ihrige bei, und zwar
begab sich die Sache folgendermaßen: Der damals schon bekannte
Schlachtenmaler Anielo Falcone, ein unruhiger und abenteuersüchtiger
Geselle, kam zufällig dazu, wie einer seiner Vettern im Streit mit
zwei spanischen Söldnern verwundet wurde. Er lief nach seiner
Werkstatt, rief seine Schüler und Freunde zusammen, um an den Spa-
niern Rache zu üben, doch hatten diese auch inzwischen Verstärkung
erhalten; es kam zu einer Schlägerei, hei welcher einer der jungen
Maler getötet wurde. Falcone schwor den Spaniern Rache und
gründete jene „Gesellschaft des Todes“, der etliche bekannte Künstler
beitraten, die sich der Revolution anschlossen und Masaniello tat-
kräftig unterstützten. Einige Historiker behaupten, Salvator Rosa
habe ebenfalls dieser Verbindung angehört und ein Bildnis Masa-
niellos gemalt; es scheint aber, daß der berühmte Maler zu dieser
Zeit in Rom weilte und den Tribun überhaupt nie porträtiert hat.
 
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