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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Steffen, Hugo: Die ehemalige Augustinerklosterkirche in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0281
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240

DIE AUGUSTINERKIRCHE IN MÜNCHEN m?3


BLICK IN DIE SAKRISTEI UNTER DEM CHORE DER
AUGUSTINERKIRCHE IN MÜNCHEN. Text S. 239

bis unter die Klostergebäude an der Ettstraße
hinziehen, wo sie verschüttet sind. Die oberen
Gewölbe unter der Kirche wurden 1803, bei
Übernahme durch den Staat, zur Gleichung
der Niveauverhältnisse eingeschlagen und mit
Urbau ausgefüllt. (Abb. S. 241.)
Wie überwältigend feierlich mögen wohl
hier die Beisetzungen gewirkt haben! Vorbei
an den in vierreihigen Nischen übereinander
stehenden Särgen der längst entschlafenen
Brüder führte der Zug unter dem gedämpften
Klang der Gebete bei Fackelscheine hinein
in die Gänge, wo für jeden der jetzt noch
rüstig Mitschreitenden ein Platz schon bereit
war. Memento mori! —
Im Jahre 1620 erfolgte eine vollständige
Umgestaltung der Kirche im Geschmacke der
Zeit, wobei äußerlich von der Architektur des
einfachen, mittelalterlichen Gotteshauses nur
der Chor mit seinen Strebepfeilern und im
Innern die Sakristei nebst den prächtigen
Gewölben der Choranbauten erhalten blieben.
Mittelschiff und Chor überspannte man durch
ein von graziösen Stuckornamenten reichver-
ziertes Tonnengewölbe mit Stichkappen und

die Spitzbogenarkaden der Seitenschiffe wur-
den gleich sämtlichen Fenstern in rundbogige
umgewandelt, überhaupt das ganze Kirchen-
innere im Geschmacke der Zeit einheitlich
ausgestaltet, wie wir es heute noch vor uns
sehen (Abb. S. 239).
Aus der Periode dieses Umbaues stammt
auch die einst teilweise mit Malereien und
Stukkaturen geschmückt gewesene, großzü-
gige Giebelsilhouette und der Kalkmörtel-
überzug, mit dem man den natürlichen Back-
steinbau umkleidete. Der mittelalterliche Dach-
reiter inmitten des Firstes wurde entfernt und
dafür ein anderer von Holz an der Gratspitze
des Chores angebracht.
Die bayerischen Fürsten und viele Personen
von Stand und aus der wohlhabenden Bür-
gerschaft, welche sich auch Begräbnisse für
sich und ihre Familien in den Grüften der
Kirche sicherten, trugen ununterbrochen zur
Ausschmückung bei. So ließ ein Herr Sebastian
Füll von Windach den kostbaren Choraltar
errichten, den ein Kolossalgemälde von Tinto-
retto, die Kreuzigung Christi, 12 m hoch und
6 m breit, ein Werk von unschätzbarem Werte
schmückte. Auch die übrigen Altäre zeigten
kostbare Marmorarbeiten und Gemälde von
Peter Candid, Ulrich Loth, Andre Faisten-
berger, dem kaiserlichen Hofmaler Pallach u. a.
mehr. Die herrliche Orgel stiftete um 7000 fl.
die Churbayerische Landmannschaft.
Die Kunstkammer der Maler und Stein-
metzen wurde die Kirche seinerzeit wohl mit
Recht benannt; kostbare Reliquien, wunder-
tätige Gnadenbilder, verbunden mit großen
Ablässen zogen die Gläubigen in Scharen her-
bei und 1699 erlaubte Kurfürst Max Emanuel
dem damaligen Prior Johann Baptist Inninger
den Zubau eines »Mietstockes« zum Kloster
»weil ein solcher der Stadt ein Ansehen gebe«.
Es ist dies die an der Löwengrube gelegene,
von der Ett- bis zur Augustinerstraße sich hin-
ziehende Häuserfront, die, wie der Name be-
sagt, vom Kloster an Private vermietet wurde.
Die Ausdehnung des Klosters war eine
stattliche. Nach der Ettstraße zu wurde es
von einem kunstvoll gehaltenen Garten be-
grenzt, in dem eine kleine, an die Kirche
gelehnte Kapelle mit vorgelagertem Treppen-
türmchen eingebaut war, welche, samt dem
hölzernen Dachreiter über dem Chore, kurz
nach der Säkularisation entfernt wurde. —
Im übrigen besitzt das alte Gotteshaus
auch eine gewisse historische Bedeutung, da
in der Nacht des 11. Oktober 1347 der Abt
des Klosters, Nikolaus de Luna, der Leiche
des mit dem Kirchenbanne belegten, plötzlich
auf derjagd beiFürstenfeld-Bruckim73.Lebens-
 
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