Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 12.1873

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7190#0013
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 135.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1873.

Künſtleriſche rauenarbeit von einſt und jetzt.

meinen Barbaren⸗Verwilderung ging mit anderen Zweigen der
Kunſt auch die zu hoher Blüthe gelangte Kunſt der Nadel-
arbeit verloren, und die erſten Spuren der wieder aufblühenden
Kunſtſtickerei finden ſich erſt im Mittelalter in den Frauen-
klöſtern wieder.
Wie die Kloſtermönche jener Zeit den Pinſel zu führen be-
liebten, wie ſie in ſtiller Klauſe mit zierlichen Miniaturbildern
auf den Pergamentblättern den Rand der Schriften ſchmückten
und ſo der Malerkunſt eine Heimſtätte gründeten, in der ſich
nachgerade ein Frà Angelico da Fiësole und Frà Bartho-
lomeo heranbilden konnten, ſo übten die Nonnen in den Kloſter-
zellen neuerdings die Kunſt der Stickerei, brachten ſie zur Blüthe
und verbreiteten ſie von dort ans unter den Frauen und Töchtern
der Reichen und Vornehmen, ſelbſt an den Höfen der Könige.
Fürſtentöchter, ſo erzählt ein deutſcher Kulturhiſtoriker, über-
gab man zum Unterrichte einer ,,Meiſterin,'' geſellte ihnen
während der Lehrjahre eine Schaar von Mädchen gleichen Al-
ters zu, welche den Unterricht, der ſich vorzugsweiſe auf feine
Nadelarbeit beſchränkte, mitgenoſſen, und wer von den Reichen
ſeine Töchter nicht bei Hofe unterbringen konnte, gab ſie zur
Ausbildung in die Frauenklöſter, wo der Unterricht ſich faſt
durchwegs auf die Beibringung der mechaniſchen Geſchicklichkeit
der Handarbeit beſchränkte. — So ausgebildet brachten es ein-
zelne hohe Frauen zu bedeutender Kunſtfertigkeit und die Ge-
ſchichte nennt eine Reihe erlauchter Frauen, die es verſtanden,
ihre eigenen, ſowie die Gewänder ihrer Eheherren mit Bild-
niſſen und Wappen kunſtreich zu ſchmücken, wie das im Mit-
telalter üblich war. Die Geſchichte berichtet von Bertha, der
Mutter Karls des Großen, die als Stickerin berühmt geweſen
und von welcher die Minſtrels ſangen: ,,N'avoit meillor ouv-
riere de Tours jusqu'à Cambrai ' (Es gab keine beſſere Ar-
beiterin von Tours bis Cambray); ſie berichtet von Karls
Töchtern, denen man nachrühmt, daß ſie ebenfalls wohl nähen
und ſpinnen konnten; von der frommen Aebtiſſin Mathilde,
die ihrem hohem Gönner, Kaiſer Otto L, dem Begründer des Stiftes
Quedlinburg, einen überaus prachtvollen Mantel mit allerhand
Heiligenbildern kunſtvoll geſtickt und von der heiligen Kunigunde,
der Gattin Kaiſer Heinrichs JJ., die für ihren erhabenen Ehe-
gemal ein Prachtgewand mit Bildniſſen von Chriſtus und den

Seit Jahrtauſenden ſind Frauenhände der Nadelführung
kundig. Die älteſte Urkunde für kulturhiſtoriſche Studien er-
wähnt als Handarbeit der Frauen zuerſt das Spinnen. Die
kunſtverſtändigen Frauen Jſraels brachten, wie die Bibel er-
zählt, zum Schmucke des erſten Gotteshanſes Geſpinnſte, die
ſie in Seide, Wolle und Ziegenhaaren in weiß, blau und Pur-
pur mit eigener Hand geſponnen hatten. Naturgemäß geht
Spinnen dem Weben voran und dieſes dem Nähen der ge-
wirkten Stoffe, da wir das Aneinanderſchnüren roher Thier-
felle durch Riemen nicht füglich Nähen nennen können, und in
letzter Reihe erſcheint erſt der Aufſchmuck gewebter Stoffe durch
Stickerei. Allein auch in dieſen Künſten ſcheinen die He-
bräerinnen ſich im Laufe der Zeit geübt zu haben, denn das
Lob einer tugendhaften Frau in den Sprüchen, mit Stellen
aus den Pſalmen, ſowie die Schilderungen der reichgeſchmückten
Gewänder der Hohenprieſter, die Beſchreibung der Vorhänge
im Tempel Salomo's weiſen auf kunſtvolle textile Frauenar-
beit hin, welche die Jsraeliten wohl von den Egyptern haben
mögen, deren Frauen ſich nach Homer's Zeugniß in reichge-
ſtickte Gewänder, ſowie in Schleier und goldenes Netzwerk zu
kleiden die eitle Vorliebe hatten.
Auch Römer und Griechen kannten und ſchätzten die Nadel-
arbeit. Wir wiſſen nicht, ob es Spitzenarbeit oder Stickerei
geweſen, was Penelope, die kunſtverſtändige Gattin des Odyſ-
ſeus, gefertigt, was ſie, um ihre Freier zu täuſchen, denen ſie
eine Entſcheidung nach vollendeter Arbeit verheißen, den Tag
über genäht und Nachts wieder zertrennt hatte. Die Geſchichte
ſchweigt darüber, und von der antiken Kunſt wurden uns nur
Denkmale in Stein und Erz, nicht aber in' vergänglichen Stof-
fen erhalten. Selbſt die Steine aber ſprechen von der Kunſtfer-
tigkeit römiſcher Frauen in der Führung der Nadel. Die Mar-
morſtatue einer Diana erſcheint in einer Gewandung, deren
Saum ein ſpitzengleiches Muſter ſchmückt, wie es die Frauen
Roms trugen und ſchufen. Von Alexander dem Großen und
von Cäſar wird erwähnt, daß ſie die Kunſt der Nadel hoch
zu ſchätzen wußten; allein mitdem Verfalle der antiken Cul-
tur, mit dem Untergange des Römereiches und in der allge-
 
Annotationen