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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 12.1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.7190#0017
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Chriſtliche

Kunſtblätter..

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 136.

Domine dilexi decorem domus tunO. Ps. 25, 8.

1873.

Der apokalyptiſche Bildercoder der Domcapitelsbibliothek
zu Prag.)
Aus Anlaß der neunhundertjährigen Gründungsfeier des
biſchöfl. Stuhles von Prag, welche in dieſen Tagen begangen
wurde, hat das Metropolitancapitel durch den Domcapitular
A. Frind die Prachtausgabe einer höchſt werthvollen
mittelalterlichen Bilderhandſchrift, deren Original in der dor-
tigen Capitelsbibliothek ſich befindet, veranſtalten laſſen. Auf
dem Wege des Lichtdruckes iſt der Codex nach ſeinem ganzen
Jnhalte in der Größe des Originals wiedergegeben und bietet
ſomit in jeder Hinſicht ein vollkommen treues Abbild der Hand-
ſchrift ſammt deren Jlluſtrationen. Längſt war auf den durch
ſeine trefflichen Umrißzeichnungen ausgezeichneten Codex hinge-
wieſen worden (ſo von Dr. Ambros, der Dom zu Prag, 1858,
vergl. deſſen Führer durch den Dom zu Prag, 1858, S. 111
ff., ferner von Dr. Lotz, Kunſttopographie, JJ. S. 385); eine
ſorgfältige Unterſuchung nach Alter, Urſprung und Geſchichte
fehlte indeß noch. Jm allgemeinen wurde er nach äußeren
Kennzeichen in's 14. Jahrhundert verſetzt. Die von gewiſſen-
hafteſter Forſchung zengende Einleitung der Ausgabe weiſt nun
aus der Erwähnung verſchiedener hiſtoriſcher Thatſachen (S. JJ)
nach, daß der Text zwiſchen 1206 und 1245 entſtanden ſein
müſſe; eine S. 246 eingeſchriebene Notiz bezeichnet weiterhin
ſogar das Jahr, in welchem Jnnocenz V. erwählt worden,
als Zeit der Abfaſſung, nur daß hier wohl durch einen Schreib-
fehler 1244 geſetzt iſt, während die Wahl des Papſtes Jnno-
cenz JV. in's Jahr 1243, 25. Juni fällt. Den Jnhalt bildet
ein den 22 Kapiteln der Apokalypſe entſprechender Commen-
tar derſelben, indem der Verfaſſer die Weiſſagungen des heil.
Johannes mit den Ereigniſſen in der Geſchichte der Kirche und
der Welt überhaupt zuſammenhält. Der Codex der Prager
Dombibliothek erweiſt ſich indeß nicht als die urſprüngliche
oder gleichzeitige Handſchrift, ſondern als eine in der erſten
Hälfte des 14. Jahrhunderts gefertigte Copie.
Den werthvollſten und intereſſanteſten Theil bilden die
zahlreichen in den Text eingereihten Jlluſtrationen. Es ſind

über achtzig zum Theil blattgroße Umrißzeichnungen in einfach
ſchwarzer Farbe ausgeführt. Dieſe Darſtellungsweiſe, welche
zuerſt bei den Liederhandſchriften gegen Schluß des 13. Jahr-
hunderts verwendet wurde, erwies ſich auch in dem vorliegenden
Falle als beſonders geeignet, die tiefſinnigen Bilder der ge-
heimen Offenbarung zugleich mit der Auslegung unſeres Textes
zur Darſtellung zu bringen. Es iſt gewiſſermaßen ein abge-
kürztes Verfahren in der Darſtellungsweiſe, wenn ſich der
Künſtler aller weiteren Hilfsmittel begibt und blos mit flüch-
tigem Umriß den durch die gehäuften Beziehungen faſt undarſtell-
baren Gedanken in der knappſten Form zum Ausdruck bringt.
Dabei war es nur einer ſo friſchen, unmittelbaren Kunſtweiſe,
wie ſie das Mittelalter hatte, möglich, Stoffe von dieſer Schwierig-
keit zu bewältigen und eine ſo lebenswahre Veranſchaulichung
der apokalyptiſchen Bilder zu bieten. Die Zeichnungen ſind
von durchaus geübter Hand, welche mit einer bewunde rns-
werthen Sicherheit das Figürliche zu behandeln und ſelbſt die
ſprödeſten Stoffe in künſtleriſche Form zu kleiden wußte. Die
menſchlichen Figuren ſind vollkommen richtig gezeichnet und die
Gewandungen in dem freien, fließenden Styl, welcher dem
14. Jahrhundert eigen iſt, angeordnet. Die kleinen Köpfe mit
dem geſpitzten Mund und den ſtark geringelten Haarlocken haben
einen gar lieblichen Charakter und verleihen in Verbindung
mit dem etwas conventionellen Weſen in den Bewegungen dem
Ganzen den Ausdruck einer anziehenden Kindlichkeit. Jn vielen
Fällen, wie bei den kleinaſiatiſchen Biſchöfen und bei den Dar-
ſtellungen des himmliſchen Jeruſalems ſind architectoniſche Mo-
tive verwendet, die in freier Weiſe die Stylformen der blühen-
den Gothik wiedergeben. Jn einer ganz originellen Art ver-
bindet der Zeichner die Auslegung mit den Offenbarungsbildern,
indem er z B. neben Engel, die auf einen Herrſcher, wie
Conſtantin (S. 69), gedeutet werden, eine gekrönte Geſichtsmaske
ſetzt, ſo daß die Doppelſinnigkeit des Bildes durch die beiden
auf einem Leibe ſitzenden Köpfe ausgedrückt wird. Die An-
ordnung iſt dabei ſo getroffen, daß die hiſtoriſche Figur wie
ein Schattenriß hinter dem Offenbarungsbild erſcheint und
dieſes in ſeiner Ganzheit nicht beeinträchtigt. Ebenſo ſind die
Engel mit den Poſaunen durch ſolche Doppelgeſichte auf Bi-
ſchöfe und Ordensſtifter bezogen. Mit Vorliebe ſind die Kampf-

*) Seriptum super Apocalypsim eum imaginibus, Pragae 1873 49.
XV. 301.
 
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