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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 18.1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.7196#0006
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— 404 —

(Gregor d. Gr.) lebhaft vor Augen, wie die Bedeutung der
kirchlichen Erblehre leicht an ihnen klar gemacht werden kann.
Herr Beiler in Heidelberg hat ſeinem künſtleriſchen Rufe
auf dem Gebiete der kirchlichen Glasmalerei durch dieſe
Leiſtung alle Ehre gemacht; denn außer der untadelhaften
Technik, der gediegenen Verbleiung zeigt die ſtilvolle Zeich-
nung des Baldachins, die wohlthuende Arrangirung der
Farben des Teppichs, der charakteriſtiſche Ausdruck der ein-
zelnen Figuren den Meiſter in ſeinem Fache.
Erwähnenswerth ſcheint noch das Reliefbild des heil.
Ritters Georg im Tympanon des Portales, aus Savon-
Stein von Hrn. Walliſer gemeißelt, eine Zierde, wie ſie
wohl wenige Kirchen auf dem Lande beſitzen dürften.
Das neue Geläute wurde nicht nach dem Geſichtspunkte
der Harmonie, ſondern nach dem der Melodie gewählt,
nämlich der Tetraccord GA D, wie ihn die proteſtant.
Kirche zu Freiburg beſitzt. Es nehmen Viele an der Wahl
neben einander liegender Töne Anſtoß, weil Secunden übel
klingen. Allein letzteres iſt nur beim gleichzeitigen Anſchlagen
der Fall; zwei Glocken ſchlagen aber faſt nie gleichzeitig
zuſammen, ſie ertönen nacheinander. Dadurch werden aber
eine Reihe der mannigfaltigſten Tonfiguren erzeugt, die
äußerſt anregend auf's Gemüth einwirken, ſo daß man eine
Art Muſik zu vernehmen glaubt, während die moderne
Harmonie mit dem Dreiklange inhaltsleer und daher bald
verbraucht iſt. Außerdem kann je nach der Zuſammenſtel-
lung der Glocken dem melodiſchen Geläute je nach der Ver-
anlaſſung bald ein melancholiſch ernſter, bald ein jubilirend
freudiger Charakter verliehen werden, was beim harmo-
niſchen unmöglich iſt. Alle Vorurtheile, die man da und
dort gegen dieſe Art von Geläuten hegt, müſſen beim An-
hören eines ſolchen ſchwinden.
Eine Sehenswürdigkeit bildet die neben der Kirche
ſtehende Armen⸗Seelen-Kapelle, das ossarium des alten
Kirchhofes, 1722 erbaut. Auf das Tonnengewölbe wurde
1723 der Todtentanz in 37 Bildern gemalt und zwar, wie
Anordnung und Ausführung des Bilder-Cyclus beweist,
von geübter Künſtlerhand. Die ſpätere Uebermalung hat
freilich der urſprünglichen Schönheit Eintrag gethan. Die
Jdee des Todtentanzes iſt im oberſten Gemälde ausgedrückt:
Alle müſſen nach der Pfeife des Todes tanzen. Fünf Gerippe
mit Flöte, Clarinette, Geige, Poſaune und Pauke verkünden:
,,Mein Trompetenſchall bringt Freud' und Leid in Ewig-
keit.'' Es gehört der geniale Humor des Mittelalters dazu,
um den ernſteſten, folgenſchwerſten Schritt des Menſchen,
wovor jeder erbebt, in Beziehung zum ausgelaſſenſten Ver-
gnügen zu bringen, und man mußte an den Anblick des
Todes in Maſſe ſehr gewöhnt ſein — zur Zeit des ſchwarzen
Todes ſoll die Jdee dieſer Darſtellung in Deutſchland zuerſt
aufgetaucht ſein -, um ſich mit dem Gedanken der Gleich-
heit aller Stände zu tröſten und dem Schrecklichen die
lächerliche Seite abzugewinnen. Jn 37 Bildern ziehen die
Vertreter der einzelnen Stände vom Kinde bis zum Greiſe,
vom Bettler bis zum Kaiſer und Papſte an uns vorüber.
Auffallend iſt die Coſtümirung der Elzthälerinnen aus jener
Zeit; der allzu kurze Rock wie die aufgebauſchte Bruſt
achen weder ihrem Geſchmacke noch dem weiblichen Zart-
gefühle Ehre.
Jeden erfaßt der Tod, und ſo ſehr er proteſtirt und
ſich ſträubt, reißt er ihn mit ſich fort, wann und wo er es
am wenigſten vermuthet. Schadenfroh ſieht er ſeine Opfer
an, packt ſie von hinten, ſetzt ſich ſelbſt die Königskrone
oder den Hut der Stadtfrau auf, die ſich gerade im Spieget
beſchaut; zuweilen hält er den einzelnen Ständen in beißen-
der Jronie ihre Thorheiten und Schwächen vor. So ſagt er:

manche Leute meinten, Nichts ſei kirchlich, was nicht in
gothiſchem Stil gehalten ſei.
Wie mächtig die Einheit des Stiles an einer Kirche auf
den Beſchauer wirkt, zeigt ſich an der zu Bleibach. Bei der
Reſtauration und Erweiterung der Pfarrkirche von 1876
bis 1878 wurde die Gothik in allen Theilen durchgeführt,
während vorher Rococo-Sculpturen den rein gothiſchen Bau
ſtörten. Selbſt auf Beſucher von wenig kirchlichem Sinne
macht dieſes Gotteshaus einen erhebenden, wohlthuenden
Eindruck und wird ihm unter allen Kirchen des Elzthales
wohl die erſte Stelle eingeräumt.
Das Netzgewölbe des Chores iſt ein wahres Meiſterwerk
der Architektonik und wird ſogar von Bädeker als Sehens-
würdigkeit aufgeführt. Leider wurde 1607 die architektoniſche
Schönheit durch einen Rococo-Altar, der ſich ſogar noch
über das obere Gewölbe legte, gänzlich verdeckt; doch gelang
es bei der Reſtauration ihn zu entfernen und durch einen
gothiſchen zu erſetzen. Es iſt das letzte Meiſterwerk, welches
noch unter perſönlicher Leitung des ſo ſchnell uns entriſ-
ſenen Herrn Marmon gefertigt wurde. Die Vollendung und
Faſſung beſorgte deſſen Geſchäftsführer Hr. Franz Simmler
mit außerordentlichem Geſchicke. Jn der Maier'ſchen Kunſt-
anſtalt zu München hat ſich dieſer Herr ſo reiche Kenntniſſe
geſammelt, daß er im Stande iſt, den hohen Anforderungen
in vollem Maße zu entſprechen, welche heutzutage an die
chriſtliche Kunſt geſtellt werden. Die Haltung und Faſſung
der Statuen iſt ſo lebendig und glänzend, daß ſelbſt die
Bauern ſich mit Entfernung des alten Ritters Georg mit
dem coloſſalen Schimmel und Drachen endlich verſöhnen
ließen. Die Herz-Jeſu⸗Statue iſt ſo geſchmackvoll und lieblich
ausgeführt, wie ich es noch nirgends geſehen, und ſcheint
jeden Eintretenden an die Einladung erinnern zu wollen:
,,Kommet Alle zu mir, die ihr mühſelig und beladen ſeid,
ich will euch erquicken!''
Auch durch den neuen gothiſchen Hochaltar in Staufen
ſoll Herr Simmler bewieſen haben, daß man unbedenklich
alles Vertrauen auf ihn übertragen darf, welches Herr
Marmon in weiteſten Kreiſen genoſſen hat. Zur beſondern
Zierde gereichen die Glasgemälde des Chores der Kirche.
Die mittleren Fenſterſchalter der Nordſeite enthalten die
Bilder des heil. Petrus und des Balthaſar Merklin, der
wahrſcheinlich zwiſchen 1510 und 1520 das Presbyterium
erbauen ließ. Es dürfte dieſer Stiftspropſt wohl der be-
rühmteſte Mann ſein, der je aus Waldkirch hervorgegangen.
Kaiſer Maximilian erhob ihn zur Würde eines Hofrathes
und Karl V. zum Reichs-⸗Vicekanzler, übertrug ihm Geſandt-
ſchaften nach Jtalien und Spanien, lud den gewiegten Juriſten
auch auf verſchiedene Reichstage ein. Hugo von Landenberg
ernannte ihn zu ſeinem Coadjutor und trat 1529 ſein biſchöf-
liches Amt an ihn ab. 1530 übertrug ihm Johann von
Sachſen noch das Bisthum Hildesheim. Mit Erasmus von
Rotterdam ſtand Merklin in lebhaftem Briefwechſel. Dem
mächtigen Einfluſſe dieſes Mannes dürfte es wohl zuzu-
ſchreiben ſein, daß unſer Thal vor den Folgen der Refor-
mation und den Gräueln des Bauernkrieges verſchont blieb;
hatten doch die ,,Sigmanswälder'' Bauern ſeiner Vermitt-
lung beim Kaiſer die gütliche Beilegung langjähriger Streitig-
keiten zu danken. Um 5850 fl. brachte er das Maierthum
Simonswald käuflich an das Stift und gewährte in einem
Thalbriefe 1526 dem treu gebliebenen Volke Beſtätigung
ſeiner Freiheiten und Rechte zum Lohne.
Die Chorfenſter der Südſeite ſchmücken die Bilder der
vier großen lateiniſchen Kirchenväter; ſie führen dem Volke
die hierarchiſche Ordnung der katholiſchen Kirche im Biſchofe
(Aug.), Erzbiſchofe (Ambroſ.), Cardinal (Hier.) und Papſte
 
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