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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 18.1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.7196#0013
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 177.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1879.

Das Votiubild der kaiſerlichen Kinder

bei der Wiener Silberhochzeit.

und die ſich hier mit den Rubens'ſchen Einflüſſen paaren,
denen ja der Künſtler auch ſonſt ganz beſonders zugänglich
iſt. Von einer Nachahmung der Compoſition iſt natürlich
keine Rede; es handelt ſich nicht um einen neuen Text zu
einer alten Melodie. Aber der Maler verläugnet auch nir-
gends ſein großes Vorbild, dem er ſogar Motive, wie den
Roſen ſtreuenden Engel, den Habitus der nicht porträt-
mäßigen Köpfe, einzelne Behelfe der Jnſceneſetzung u. ſ. w.
entlehnt.
Wie bei Rubens, ſehen wir auch bei Canon im Ganzen
dreizehn Perſonen, davon neun auf das Mittelbild ent-
fallen. Hier ſitzt die Jungfrau auf einem reichen goldenen
Throne mit niſchenförmig vertiefter Lehne. Jm Schooße
hält ſie das Kind und der heil. Joſeph in grauem Ober-
kleide lehnt ſich, mehr im Hintergrunde bleibend, rechts an
den Thron. Der himmliſchen Gruppe haben ſich zwei Heilige
genaht. Links kniet der hl. Franciscus in brauner Kutte,
mit dem Strick umgürtet; die linke Hand auf die Bruſt
gepreßt, den Ausdruck inbrünſtiger Hingebung im Geſichte,
bringt er ſeine Huldigung dar, welche das Jeſuskind mit
reizender Freude entgegennimmt. Maria wendet mittler-
weile das Antlitz nach rechts, wo eben die heil. Eliſabeth
von Ungarn herangetreten iſt. Sie iſt ein prächtiges junges
Weib, die Krone auf dem Haupte, von dem reiches gold-
blondes Haar niederwallt; ſie trägt ein bläulichgraues Kleid
von ſchwererem Seidenſtoff, mit Gold und Perlen geſtickt,
darunter einen breit mit Hermelin beſetzten Rock (auch ein
Jldefonſo-Motiv) und bringt in dem leicht emporgehaltenen
Schooße des Kleides die Roſen dar, welche in ihrer Legende
eine ſo poetiſche Rolle ſpielen. Vor der Madonna kniet ein
Engel, der ihr einen ſilbernen Kranz, gleichſam das Sinn-
bild einer ſilbernen Hochzeit, zu Füßen legt; auf den weißen
Schleifen des Kranzes ſind in Gold die Jahreszahlen
DB0LIV und MDCOXXX geſtickt. Zwiſchen zwei
mächtigen Säulen einer offenen Halle, welche als Schau-
platz dieſer Scene dient, blaut ein ſommerlicher Himmel
herein, aus deſſen Tiefe goldener Glanz in Fluthen daher
quillt und in Strahlenfarben niederſprüht. Jn dieſem
Glorienſchein ſchweben drei himmliſche Boten, Engelkinder

Die Kinder des öſterreichiſchen Kaiſerhauſes haben die
Silberhochzeit ihrer Eltern nicht vorübergehen laſſen, ohne
als ächte Sproſſen eines Geſchlechtes erlauchter Schützer und
Förderer der ſchönen Künſte ihrerſeits ein Werk der Malerei
in's Leben zu rufen, das die Erinnerung dieſes für das
Kaiſerhaus wie für Oeſterreich glorwürdigen Tages auch in
der Kunſtgeſchichte fortzupflanzen geeignet iſt. Dies geſchah
durch ein groß angelegtes Altarbild in drei Abtheilungen,
mit deſſen Ausführung der Kronprinz einen der hervor-
ragendſten Wiener Maler, Hans Canon, betraute und das
zunächſt dem Kaiſerpaar als Geſchenk überreicht wurde, um
ſeinerzeit eine von Jhren Majeſtäten zu beſtimmende Ver-
wendung zu finden. Der Künſtler hat den ganzen Winter
ausſchließlich an dieſem zur Zeit im Wiener Künſtlerhauſe
ausgeſtellten Werk gearbeitet und ſeine beſte Kraft daran ge-
wendet; ſo iſt darin in der That ein Werk entſtanden, das
die öſterreichiſche Kunſt auf einer imponirenden Höhe zeigt.
Für die Anordnung des Bildes war der ogenannte
Jldefonſo-Altar von Rubens, eines der herrlichſten Beſitz-
thümer des Belvedere, maßgebend. Dieſes berühmte Werk
zeigt im Mittelbilde die thronende Madonna, welche, von
vier weiblichen Heiligen umgeben, dem vor ihr knieenden
heiligen Jldefonſo, Erzbiſchof von Toledo, ein Meßgewand
überreicht. Drei Engel ſchweben Hand in Hand über der
Gruppe. Der rechte Flügel zeigt den am Betſchemel knieen-
den Erzherzog Albrecht, Statthalter der Niederlande, hinter
dem ſein Schutzpatron, der hl. Albrecht, ſteht, während auf
dem linken Flügel ſeine Gemahlin, Jnfantin Klara, Eugenia,
Jſabella, Tochter Philipps J., in gleicher Stellung mit
ihrer Patronin, der hl. Klara, dargeſtellt iſt. Dieſes Bild
wurde von Erzherzog Albrecht im Jahre 1510 für die
Jldefonſo-Kapelle der Jacobuskirche auf dem Caudenberge
in Brüſſel beſtellt und 1774 von der Kaiſerin Maria
Thereſia aus jener Kirche gekauft.
Canon's Altarbild geſteht unumwunden die Anregungen
ein, die es von dem Rubens'ſchen Meiſterwerk empfangen
 
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