Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 18.1879

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7196#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 416 —

darum, ſtatt aufbaut, vieles verdirbt. Ein Beiſpiel! Ein
ſtädtiſcher Kirchenrath, alles Jntelligenzen par exoel-
lence, will den Kunſtmäcen ſpielen. Dazu hätte er in
einigen ihm unterſtehenden, theilweis verwahrlosten Kirchen
ein ſehr ausgedehntes Feld der Wirkſamkeit. Allein die
Sache ſoll nichts koſten. Statt alſo vorhandene ſchreiende
Defecte zu repariren, gibt er das, was noch an Kunſtwerth
vorhanden iſt, weg. Aus Kirchengeräthſchaften, die künſt-
leriſch gearbeitet ſind, die noch im Gebrauch ſtehen, für die
kein Surrogat vorhanden iſt, macht man der ,,Kunſtaus-
ſtellung'' eine ,,Verehrung . Dabei macht derſelbe Kirchen-
rath für die gleiche Kirche nicht einmal diejenigen Anſchaf-
fungen, die das einfachſte decoruwm verlangt. Ein paar
Statuen, die nach dem Augenſchein in eine Kalkgrube ge-
legt und dann wieder an ihren Platz befördert wurden,
ſind die einzigen Zeugniſſe ſeines geläuterten Kunſtge-
ſchmackes. Nomina sunt odiosa.
Ein noch ſeltſameres Licht fällt auf den Kunſtenthuſias-
mus gewiſſer Leute, wenn wir ſie zuſammenhalten mit der
Vergangenheit derſelben. Wir können da den Gedanken
nicht abwehren: die ſchönſte permanente Kunſtausſtellung
wäre eine Sammlung aller der Kunſtgegenſtände und Alter-
thümer, welche die liberalen Regierungen der 1830er und
1848er Periode verſchleudert haben. Bis dieſe Sammlung
zu Stande kommt, ſollte man von liberaler Seite es unter-
laſſen, Klagen gegen die Geiſtlichkeit wegen Verſchleuderung
von Kunſtſachen zu erheben, wie es letzthin ein politiſcher
Wortführer in einem Großrathsſaal gethan hat. Mücken
ſeigen und Kameele verſchlucken, iſt heute noch immer kein
Zeichen moraliſcher Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit.
Wir wollen damit den permanenten Kunſtausſtellungen
nicht zu nahe treten. Aber mag ihr Zweck auch noch ſo gut
und aller Förderung werth ſein, ſo iſt darum doch nicht
jedes Mittel recht. Sollen ſolche Ausſtellungen zum Schaden
der Kircheninventarien, namentlich der noch im Gebrauch
ſtehenden, ſtatthaben, ſo muß deren Hinwegnahme nicht
blos als ein Unrecht gegen die Kirche, die man anderer-
ſeits zur Mithilfe aufruft, erklärt werden, ſondern auch als
ein Unrecht an der Kunſt ſelbſt. Oder glaubt man den
Kunſtſinn des Volkes, das bei Neuanſchaffungen vielfach
mitwirken muß, dadurch zu heben, daß man ihm nur noch
die unwürdigen Producte der letzten Vergangenheit übrig
läßt, dagegen alles, was aus beſſerem Geſchmack hervor-
gegangen iſt, ihm aus den Augen rückt?
Wir glauben darum, wenn man an das Kunſtverſtändniß
der Geiſtlichkeit appellirt und derſelben bezügliche Pflichten
auferlegen will, die erſte Pflicht des Klerus beſtehe vor
allem darin, das, was an Kunſtgegenſtänden noch vorhan-
den iſt, zu wahren und nicht durch Preisgebung derſelben
aus falſcher Liebedienerei, gegen die Kirche, das Volk und
die Kunſt zu ſündigen. (Schw. Kz.)

haus, welches zugleich ein wahrer Schmuck der königlichen
Reſidenz und Hauptſtadt Württembergs iſt.
Die Marienkirche, entworfen und ausgeführt von Ober-
baurath von Egle, zeigt den friſchen, heitern Stil der Früh-
gothik. Die mächtige, formenreiche Pracht der Gothik in
ihrer vollen Entwickelung tritt hier noch nicht zu Tage.
Wie alle Kirchen dieſer Art hat ſie ein dreigetheiltes Lang-
ſchiff, ein Querſchiff, das mit dem Langſchiff die Vierung
bildet, und einen Chor. Zu beiden Seiten des Hauptportals
erheben ſich über den beiden Seitenportalen die mächtigen
Thürme. Der Mittelbau zeigt über dem Hauptportal eine
Fenſter-Roſette und einen mit verticalem Stabwerk verzier-
ten Giebel, den die offenen Kuppeln der Treppenthürmchen
noch mehr heben. Das Material iſt weißer, grobkörniger
Sandſtein. Die Verdachungen, Einfaſſungen, Gurten, Ro-
ſetten u. ſ. w. dagegen ſind von grauem Sandſtein. Von
ſchöner Wirkung iſt die Vorhalle des mittleren Hauptportals,
in welcher rechts und links die Statuen von vier Pſalmiſten
angebracht ſind. Die ganze Fronte iſt überhaupt, ohne
überladen zu ſein, formenreich und ſo glücklich durchgeführt,
daß die hochragenden Thürme durchaus nicht laſtend wirken.
Die Fenſter des Querſchiffes ſind ſechstheilig, die Giebel
mit reichem Stabwerk ausgeſchmückt. Jm Jnnern erblickt
man im rechten Seitenſchiff den Marien-Altar, im linken
den Joſephs-Altar. Die Sacriſtei liegt links im Querſchiff,
ihr gegenüber rechts eine Kapelle. Eigenthümlich iſt der
Umſtand, daß in der ganzen Kirche kein Fuß breit Verputz
angebracht iſt, indem der Baumeiſter ein Material (Werk-
und Backſteine) wählte, das in ſeiner natürlichen Farbe
bleiben ſollte. Das ſchließt jedoch nicht die Anwendung von
Farbe aus, wie ſo z. B. die Gurten, die Gewölberippen
und die Schlußſteine der einzelnen Wölbungen mehr oder
minder durch Farbenſchmuck hervorgehoben ſind. Jn den
ſtilgerechten Fenſtern ſchreitet die Lebhaftigkeit und Wärme
des Schmuckes von unten nach oben fort, indem die Farben-
pracht nach dem Chore, dem Sitz des Allerheiligſten, zu ſich
mehrt und wächst. Auf der linken Seite des Schiffes kom-
men Epiſoden des Alten Teſtamentes, auf der rechten ſolche
des Neuen Teſtamentes zur Darſtellung. Die drei Fenſter
im Chor, ſowie je zwei eines jeden Seitenſchiffes, zeigen
Hauptmomente aus dem Leben des Heilandes und ſeiner
Mutter, der Patronin der Kirche. Jm Uebrigen kommen
faſt durchweg Teppich-Muſter zur Anwendung. Von be-
ſonderer Wirkung ſind die farbenprächtigen Fenſter des
Haupt- und Seitenchores. Das Material der Altäre ſowie
des Taufſteines beſteht aus dunkelgrünem und weißem
Marmor. Der Aufſatz des Marien-Altares iſt eine präch-
tige Schnitzarbeit in naturfarbigem Eichenholz und ſtammt
von Gebratzhofen, einem Pfarrdorfe im württembergiſchen
Oberamte Leutkirch. Die Orgel wurde von Walker in Lud-
wigsburg erbaut und koſtet ohne Gehäuſe 10,000 Mark.
Sie beſteht ans 26 klingenden Stimmen, die auf zwei
Manuale vertheilt ſind. Die beiden Manuale enthalten
2567 Pfeifen.
Der lang erſehnte Tag der Einweihung war Mittwoch,
der 12. Nov. Der hochw. Hr. Biſchof v. Hefele war ſchon
am Tage vorher eingetroffen und am Abend brachten der
Geſangchor und die Muſik des hieſigen katholiſchen Geſellen-
vereins dem Kirchenfürſten eine wohlgelungene Serenade.
Die Umgebung der Kirche war auf das Reichſte geſchmückt.
Sowohl die katholiſche als auch die proteſtantiſche Bevöl-
kerung zeigte die lebhafteſte und wärmſte Theilnahme an
dem kirchlichen Feſte. Um 8 Uhr begann Biſchof v. Hefele
die Einweihung der Kirche in bekannter ritualer Weiſe. Um
10 Uhr ſtellten ſich die Geladenen ein. Als erſter erſchien

Die Marienkirche zu Stuttgart

Es iſt ein wohlthuendes Gefühl, in unſeren Tagen einer
Feier beiwohnen zu können, wie die der Einweihung der
neuen katholiſchen Marienkirche zu Stuttgart. Mit erheben-
der Einmüthigkeit hat die proteſtantiſche Hauptſtadt (Stutt-
gart zählt über 100,000 Einwohner, worunter nur 12,000
Katholiken) eines Staates mit weit überwiegend proteſtan-
tiſcher Bevölkerung dieſes Feſt begangen. Die Katholiken
mußten ſich trotz ihrer ſtark angewachſenen Zahl bisher noch
immer mit einer einzigen Kirche begnügen. Dieſem drücken-
den Mangel iſt jetzt abgeholfen durch ein würdiges Gottes-
 
Annotationen