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Von Steinhäuser war, als er noch ein junger Mann, mehr Schüler als
Meister war, in Zeitungen und Journalen und geistreichen Theezirkeln viel die
Rede. Er verdankte das dem Entwurfe einer Göthestatue — in sitzender Stel-
lung, halb und halb eine Nachbildung des olympischen Zeus von Phidias, —
den er nach einer Jdee der bekannten Bettina von Arnim gefertigt hatte. Jetzt,
nachdem er zur Meisterschaft gelangt ist und dieselbe in manchem schönen Werke
bewährt hat, wird er, in Deutschland wenigstens, wenig oder gar nicht genannt,
und Manchem, dessen Erinnerung nicht bis zu jenem Anfang seiner künstlerischen
Laufbahn zurückreicht, dürfte er-gänzlich unbekannt sein. Wir wollen den Grund
dieses Wechsels nicht darin suchen, daß Steinhäuser jetzt schon seit längerer Zeit
der christlichen Kunst im engeren Sinne des Worts seine Liebe und Thätigkeit
zugewendet hat; — die Hauptursache mag in äußern Umständen, in seiuem
Aufenthalte in Rom, in persönlichen Verhältnissen und Zusälligkeiten liegen.
Aber auffallend bleibt es immer, daß man durch den Entwurs eines Göthe-
monuments von zweiselhaster Originalität unter der Protektion einer immerhin
geistreichen, aber confusen Frau zu einem gewissen Ruf kommen. und — trotz
trefflicher Werke im kirchlichen und religiösen Gebiete der Kunst, in Vergefsenheit
gerathen kann. Es liegt darin mit eine Veranlassung sür uns, die Leser des
christlichen Kunstblatts auf den Mann aufmerksam zu machen, dem dieß „Schicksal"
widerfahren ist.

Eine zweite Veranlassung dazu finden wir in dem Umstande, daß Stein-
häuser, geboren in dem evangelischen Bremen, Katholik geworden ist. Das wird
manchem unsrer Leser paradox klingen. Aber wir meinen, eine kurze Ueberlegung
wird Jeden zu der Ueberzeugung sühren, daß Lie christliche Kunst nur gedeihen
kann, wenn sie als eine Sphäre betrachtet und behandelt wird, die über, oder
wenn man lieber will, unter den streitenden Konsessionen liegt, d. h. wenn sie
nicht aus die Konfession, sondern auf die Eine und allgemeine christliche Kirche
sich gründet, die trotz der widersprechenden Erscheinung in Vergangenheit und
Gegenwart, doch ein unerschütterlicher Glaubensartikel jedes wahren Christen
wie aller (historisch bedeutsamen) Konfessionen ist und bleiben wird. Denn die
Kunst kann und darf keine Dogmatik malen oder modelliren, weil sie die einzelnen
Dogmen überhaupt nicht, geschweige denn in ihrer bestimmten konfessionellen
Fassung darzustellen vermag. Jhre Ausgabe kann nur sein, zunächst die Begeben-
heiten der heiligen Geschichte, die heiligen Persönlichkeiten — sei es einzeln als
Vorbilder christlichen Lebens und Wesens, sei es in bestimmten Situationen und
Verhältnissen, — in derjenigen Verklärung (Jdealität) uns zu zeigen, zu welcher
der christliche Glaube, der heilige Geist, den Menschen erhebt und welche im
Sohne Gottes ihren höchsten vollendeten Ausdruck gewonnen; demnächst über-
haupt das ganze menschliche Leben, alle Handlungen und Ereignisse, alle Personen
und Verhältnisse der Vergangenheit und Gegenwart, im Spiegel des christlichen
Glaubens, gemessen am christlichen Jdeal, gewürdigt und gewogen vom heiligen
Geiste, auszufassen und zur Anschauung zu bringen. Der eigentlich künstlerische
Jnhalt ist daher immer nur dieses Jdeal, dieser Geist, diese innere Verklärung;
das Uebrige ist an sich todter gleichgültiger Stoff, den Geschichte und Leben dem
Künstler liesern, den er erst zu gestalten, zu beseelen, zur Versinnlichung der
 
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