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Bemühen, innerhalb der Grenzen eines beschränkteren knnstlerischen Gebietes
dem Versasser die Anschauungen einer Kirche entgegenhalten zu wollen, zu
deren Rechtfertigung weder Ort noch Gelegenheit ist, und welche doch vom
Versasser überhanpt gar nicht als berechtigt anerkannt werden, doch läßt sich
vielleicht, nnd daK ist der Zweck dieser Zeilen, auch ohne Berührung dieser
tiefsten Jnteressen in dem Gebäude der aufgestellten Ansichten einiger Mangel
an nothwendigen Grundstützen nachweisen.

Ausgehend von der Wahrheit, daß die Baukunst durch die stärksten Bande
mit der Kultnr nnd dem Streben einer Nation zusammenhängt und der jedes-
maligen Zeitrichtnng den getreuesten Spiegel vorhält, sowohl weil alle Künste
sich in ihr begegnen und ihre gemeinsame Grundlage in ihr finden, als auch
weil sie ihrer Natnr nach das Erzeugniß allseitigerer, reislicherer Erwägung ist,
gkeichsam wie ein zweites Kleid sich um den Menschen kegt und allen seinen
Bedürfnissen und Wünschen sich anzupassen hat, weist der Verfasser im ersten
Abschnitt nach, wie das heutige Bauwesen fast in keiner Beziehung mehr dem
Begriss einer Kunst entspricht, nnd setzt in lebensvoller Schilderung ihm die
Herrlichkeit des Mittelalters entgegen. Wie alle Vergleiche so muß natürlich
auch dieser einigermaßen einseitig anssallen, doch möchte vom Lobe der mittel-
alterlichen Kunst gern kein Buchstabe sehlen, wenn in der Betrachtung der
modernen Zustände nicht geflissentlich die Kehrseite nach oben gewendet, Berlin
als die Hauptstadt von Deutschland betrachtet nnd alle dort Legangenen Kunst-
sünden dem Prinzip des Protestantismus aufgebürdet würden. Was aber in
diesem Theil entschieden mangelt, ist eine deutliche Begränzung des Begrifses
„christlich-germanisch," der doch, wenn von einer Rückkehr zu ihm die Rede sein
soll, in historischer Gestalt auftreten muß. Wenn die Volker „vom Ansang des
16. Jahrhunderts an" sich aus den „Jrrweg nach der dürren Haide der Ge-
genwart" begeben haben sollen, so scheint Ler Verfasser die letzte Bildnngs-
periode der Gothik, das „Flamboyant" noch für mustergiltig zu halten, eine
Ansicht, welche durch einige ästhetische Lehrsätze z. B. „daß an einem Bauwerk
kein Glied vorkommen dars, welches nicht durch die Grundkonstruktion bedingt
ist, und einen Lestimmten Zwcck in derselben (?) zu erfüllen hat," gewisser-
maßen bestätigt wird, denn erst in der letzten Gestaltung der Gothik wird sich
annäherungsweise das konstrnktive Element nachweisen lassen, durch welches
z. B. F. Hofsstatt sein gothisches AB C zu einer so einseitigen Darstellnng
dieses Stils gemacht hat. — Jn dieser Unbestimmtheit liegt jedenfalls der
Grund zu einem Vorwurf gegen den Verfasser, und sein ganzer zweiter Ab-
schnitt, in welchem er die praktischen Mittel zu der nothwendigen Rückkehr in
sehr richtiger Weise angiebt, entbehrt dadurch eines bestimmten Zieles. So
wahr alles ist, was er über die Vergeblichkeit der modern-antiken Akademie-
bestrebüngen, über die Nüchternheit bureaukratischer Architektnrbehörden u. s. w.
sagt, — es wird der Gegenwart immer nur die „christliche," die „deutsche," die
„mittekalterliche" Kunst entgegengesetzt, und doch wissen wir daß innerhalb des
„christlichen Mittelalters" ein totaler Umschwung des Knnststils vor sich ge-
gangen, daß aber auch die Blüthe des romanischen Stils in jene Zeit hinein-
sällt, die wahrlich der Spätgothik den Rang sehr streitig machen kann. Dem
 
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