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Wittenberg theilgenommen hat, darf nnd will sich der Pflicht einer Huldigung
zum Jubiläum seines Sterbemonats nicht entziehen.

Melanchthon ist freilich nicht mit Luther darin zu vergleichen, daß seine
Erscheinung und sein Lebensgang so viele und so köstliche Motive für Darstel-
lungen der bildenden Kunst darböte; denn seine Geschichte weist keine Thaten,
nur Schristen und das stille, friedliche und zum Frieden rathende Wirken eines
schüchternen frommen Gelehrten auf, der sich am liebsten auf den Kreis der
Familie und Schnle, namentlich auf den Beruf der Jugendbildung beschrankt. Mit
Werken der zeichnenden Kunst ist Melanchthon gkeichfalls nicht in so nahe und wirk-
same Berührung gekommen, wie Luther, der unter anderem den Text zu den be-
rühmten Holzschnitten vom Christ und Antichrist verfaßte, obwohl auch Melanchthon
in Wittenberg selbst einen Cranach zum Mitbürger hatte, einem Dürer in Nürnberg
zum Bildniß saß. Auch hat er weder in Gesang und Mufik noch in christlicher
Dichtung, zumal des religiösen Volksliedes, etwas geleistet; sein poetisches Talent
hat sich lediglich in den alten Sprachen nnd klassischen Versmaßen ergangen uud
mehr der Schille als dem Leben gedient. Und doch ist seine eigene Persönlich-
keit ein Kunstwerk der Natur genannt, und ist der eigenthümliche Charakter seiner
Gemüthsart und Handlungsweise aus dem reinen Streben nach Harmonie in
sich und Andern erklärt, der Einheitspunkt seiner Erscheinung in einen künst-
lerischen Beruf und in die diesem Berufe entsprechende Begabung gesetzt worden,
soferne, wie L. Georgii vor siebenzehn Jahren in einer wissenschastlichen Zeit-
schrift, den Tübinger theologischen Jahrbüchern (1843, drittes Heft), tressend
ausführte, „die Kunstthätigkeit nicht darauf beschränkt sein könne, Holz und Stein
zu bearbeiten und in sinnlich wahrnehmbaren Gestalten die Dffenbarung der
Jdee zu bewirken, sondern und in noch höherem Maße diejenigen als Künstler
zu bezeichnen seien, welche, wie die Gesetzgeber, die Religionsstister, die sittliche
Natur des Menschen zur Entwickelung bringen, das Leben zum Träger und
Organ der Jdee gestalten." Es ist auch solches an dem genannten Orte mit
sinnigem Geschick in dem Hauswesen, in der Freundschast, besonders niit Luther
und Camerarius, in der vorsichtigen Haltung, dem maßvollen Ausd-ruck des
össentlichen Auftretens, in der vielseitigen und doch so harmonischen Bildung,
in der ebenso fließenden wie gewählten Schreibart, die den feinfühlenden Schüler
der großen Alten bekundet, in dem ausgesprochenen Grundsatz und Bedürsniß
nachgewiesen, seine Gedanken in ein kunstmäßig geordnetes System zu ordnen,
wenn gleich Melanchthon, gegenüber der göttlichen Gestaltungs- und Anschau-
ungsweise eines Phidias, sich mit der geringeren Leistung eines Töpsers begnügen
zu müssen vorgab.

Uebrigens ist es für uns eine nicht geringe Befriedigung, von der Hand
des berühmten Meisters, der unserem Volke das Leben Luthers in unübertroffenen
Bilvern voll naiver Wahrheit vor Augen gestellt hat, ein Blatt auch zum Jubel-
gedächtniß Melanchthons empfangen zu haben. Gustav König in München
hat unserer Bitte sreundlichst entsprochen und in der Zeichnung, die unser Holz-
schnitt vorführt, dem Freund und Gehilfen Luthers das ehrenvollste Denkmal
gesetzt. Man weiß, wie nicht nur Melanchthon von Luther dachte, der Jenem
erst die evangelische Wahrheit aufgeschlossen hatte und welchen Philippus bald den
 
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