Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

leichtern, lade ich die werthen Leser ein, vor Allem mit mir einen kurzen Blick
aus die Bedeutung, die Geschichte und Entwickelung dieses wichtigen Zweiges
christlicher Kunst zu werfen.

Bilverbibeln sind so alt, als die christliche Kunst selber. Wie letztere ihr
Dasein der Bibel verdankt, so hat sie hinwiederum in Verbildlichung nicht blos
einzelner biblischen Thatsachen und Personen, sondern geradezu und ausdrücklich
in Beleuchtung („Jllustration") der heiligen Schrift mittelst Zeichnung und
Farbe unmittelbar einen wichtigen Dienst zurückgegeben.

Zwar bedarf das vom heiligen Geiste eingegebene und mit höherem Lichte
aus den Menschengeist wirkende Schristwort keiner menschlichen Bei- oder Nach-
hülse. Jn voller Selbstgenügsamkeit erklärt es sich selbst und malt es sich selbst.
Paulus schreibt an die Galater (3, 1), daß ihnen „Jesus Christus vor die
Augen gemalet war als unter ihnen gekreuzigt" — lediglich durch mündliche
Verkündigung des Wortes vom Kreuze.' Diese malerische Wirkung des Wortes
auf die Seele bezeichnet unser Luther mit dem bekannten tressenden Worte:
„Gott will haben, wir sollen seine Werke hören und lesen, sonderlich das Leiden
Christi. Soll ich's aber hören und gedenken, so ist's mir unmöglich, daß ich nicht
in meinem Herzen sollte Bilde davon machen; denn ich wolle oder wolle nicht,
wenn ich Christum höre, so entwirst sich in meinem Herzen ein Mannsbild,
das am Kreuz hänget, gleich als sich mein Antlitz natürlich entwirft in's Wasser,
wenn ich darein sehe" .... Gewiß liegt es auch in dem gottmenschlichen
Ursprung der hl. Schrift, daß die biblische Geschichte nach ihrer ganzen edeln
Einfalt ohne sonderliche Mittel so viel schlagende Wirkung und zündende Kraft
sür die Einbildung hat, wie kein Erzeugniß menschlicher Dichtung und Erzählung.
So hat denn auch „der Maler Lukas" nicht durch Pinsel und Grissel, sondern
durch Feder und Tinte mitwirken müssen, daß das Evangelium als das Eine,
was Noth ist, durch einfachste Darstellung in Rede und Schrist der Welt als
vollkommen zureichend angeboten werde. Und so haben die zwei blühendsten
Jahrhunderte der Kirche sich genügen lassen können an der Gnade des Wortes
und seiner Beweisung des Geistes und der Kraft.

War es nun bloßer Luxns, wenn nach der ersten Geistes- und Lebens-
Blüthezeit innerhalb der Kirche die Kunst herbeigezogen und herbeigelassen wurde,
um die Wände, Tafeln, Geräthe, ja auch die Gewänder und Kleidungsstücke,
besonders aber die Pergamente mit biblischen Bildern zu schmücken? Gewiß
nicht! Die Kunst ist in der Menschheit überhaupt so wenig ein Luxus als die
Schönheit in der Natur. Nur die in die Welt eingedrungene Sünde ist es,
welche die Gottesgabe der Kunst eben so selten und schwer gemacht, als die
gottgeschassene Schönheit vielfach vergiftet und verkümmert hat. Wenn nnn
die Offenbarung das Heil für allen Schaden, die Wiederherstellung des ver-
lorenen göttlichen Ebenbildes, d. h. die Wiedergabe des göttlichen Lichtes und
des ewigen Lebens an die Menschheit, die Erscheinung Gottes selber im Fleische
und damit die höchste Wahrheit, die höchste Güte und höchste Schönheit in
dem Worte, das zugleich That ist, darstellt, so hat die Kunst als berufene
Darstellerin des göttlich und menschlich Schönen ein inneres Recht an die
biblische Ossenbarung und einen nothwendigen Trieb zu ihr hin. Den Abweh-
 
Annotationen