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die Waffen des Verstandes mit glänzender Noutine führt, dessen Herz aber
völlig nnbetheiligt ist. Nichts Uebertriebenes jedoch im Ausdruck; beide Köpfe
lehren nns nur, daß der Künstler in seiner Gewalt hat, nicht nur den Ansdruck
erscheinen zu lassen, den die augenblickliche Situation, den der historische
Moment sordert, sondern auch, unter Anlehnung an das Porträt, den Charakter
beider Männer in ihr Angesicht zn legen, den sie haben, wenn sie innerlich
ruhig sind. Mit der gespanntesten, ernstesten Aufmerksamkeit hält der Herzog
Georg sein Auge auf den Reformator geheftet. Das Gesicht hat freilich eine
gewisse richterliche Strenge, die sich nicht anfechten lassen will, aber gegen seinen
Willen ist der Eindruck sichtbar, den die innere Gewalt der Rede auf ihn macht.
Gleichgültiger scheint sein jugendlicher Genoß die Sache zu nehmen, wenn man auf
die etwas nachlässige Haltung sieht, die er angenommen hat; aber eben beginnen
die Worte, die er hört, sein Jnteresse zu erwecken, das sich in den Zügen
wiederspiegelt. Als Anhänger des theuren Lehrers war er mitgekommcn. Jhm
ist der Schiedsspruch im Voraus feststehend. Weit inniger als dieser Fürst ist
mit seinem Jnnern unter den Anhängern Luthers der treue Bugenhagen engagirt,
der Landsmann des Pommernfürsten. Sein treues liebevolles Gesicht ist ganz
Ueberzeugung und Zugeneigtheit; mit ganzer Seele verfolgt er jedes Wort,
das der für die heilige Sache kämpfende Freund redet. Jm Vorgrunde sitzt
der kluge und milde Melanchthon und der stämmige, energische Carlstadt, alle
diese Männer jünger, als wir sie aus ihren Bildnissen kennen und im
Gedächtniß tragen, aber doch alle auf den ersten Blick erkennbar. Unter der
weiteren Zuhörerschaft erblickt man auch das Profil des Künstlers. Die
gegnerische Seite enthält keine benannten Münner der damaligen Zeit und des
Vorgangs. Gattungsmenschen treten hervor: ein Mönch, dessen Gesicht von
Wohlleben und geistiger Befangenheit zeugt; ein Stndent, dessen blondes Locken-
haupt das lebhafte Jnteresse der Jugend zeigt; feste Gelehrtengesichter, von
denen einige für die Worte des Redenden völlig unberührte Felsen bleiben,
während Andere wenigstens bis zur Aufmerksamkeit belebt sind. Der Narr ist
die einzige Figur, in deren Auge man nicht sehen kann; man merkt nur, daß
sein Blick sich aus den Herrn heftet; es hat dies etwas von einem Thier, das
gewohnt ist, seine Persönlichkeit in einem Andern zu sinden, und das, nament-
lich in nngewohnter Umgebung, den Herrn nicht aus dem Auge verliert. Er
sitzt anf einem Folianten. Wie die Sage geht, hatte man ihm eingebildet, es
handle sich bei diesem Streit darum, ob er, der Narr, solle heirathen dürsen
oder nicht, Lnther werde dafür, Eck dagegen sprechen, daher er dem Letzteren
bei der ihm nnverständlichen lateinischen Rede Gesichter geschnitten haben soll.
Der Künstler wählte die eben beschriebene edlere Beziehung auf den fürstlichen
Herrn, gleichsam von diesem den günstigen Ausgang des Streites erharrend, den
er unfähig ist, in seincm Gang zu verfolgen.
Man kann sich nicht genug darüber freuen, daß der Künstler aus der
Zeit, in der seine Seele zu Hause ist, deren Dinge und deren Menschen er so
genau kennt, jetzt gerade diesen wichtigsten und folgenschwersten Moment mit der
ganzen Stärke seiner Meisterschaft zur Darstellnng gebracht hat. — Wer wird
das Bild besitzen? Wir erfahren, daß zwar die Stadt Basel das Vorkaufsrecht
die Waffen des Verstandes mit glänzender Noutine führt, dessen Herz aber
völlig nnbetheiligt ist. Nichts Uebertriebenes jedoch im Ausdruck; beide Köpfe
lehren nns nur, daß der Künstler in seiner Gewalt hat, nicht nur den Ansdruck
erscheinen zu lassen, den die augenblickliche Situation, den der historische
Moment sordert, sondern auch, unter Anlehnung an das Porträt, den Charakter
beider Männer in ihr Angesicht zn legen, den sie haben, wenn sie innerlich
ruhig sind. Mit der gespanntesten, ernstesten Aufmerksamkeit hält der Herzog
Georg sein Auge auf den Reformator geheftet. Das Gesicht hat freilich eine
gewisse richterliche Strenge, die sich nicht anfechten lassen will, aber gegen seinen
Willen ist der Eindruck sichtbar, den die innere Gewalt der Rede auf ihn macht.
Gleichgültiger scheint sein jugendlicher Genoß die Sache zu nehmen, wenn man auf
die etwas nachlässige Haltung sieht, die er angenommen hat; aber eben beginnen
die Worte, die er hört, sein Jnteresse zu erwecken, das sich in den Zügen
wiederspiegelt. Als Anhänger des theuren Lehrers war er mitgekommcn. Jhm
ist der Schiedsspruch im Voraus feststehend. Weit inniger als dieser Fürst ist
mit seinem Jnnern unter den Anhängern Luthers der treue Bugenhagen engagirt,
der Landsmann des Pommernfürsten. Sein treues liebevolles Gesicht ist ganz
Ueberzeugung und Zugeneigtheit; mit ganzer Seele verfolgt er jedes Wort,
das der für die heilige Sache kämpfende Freund redet. Jm Vorgrunde sitzt
der kluge und milde Melanchthon und der stämmige, energische Carlstadt, alle
diese Männer jünger, als wir sie aus ihren Bildnissen kennen und im
Gedächtniß tragen, aber doch alle auf den ersten Blick erkennbar. Unter der
weiteren Zuhörerschaft erblickt man auch das Profil des Künstlers. Die
gegnerische Seite enthält keine benannten Münner der damaligen Zeit und des
Vorgangs. Gattungsmenschen treten hervor: ein Mönch, dessen Gesicht von
Wohlleben und geistiger Befangenheit zeugt; ein Stndent, dessen blondes Locken-
haupt das lebhafte Jnteresse der Jugend zeigt; feste Gelehrtengesichter, von
denen einige für die Worte des Redenden völlig unberührte Felsen bleiben,
während Andere wenigstens bis zur Aufmerksamkeit belebt sind. Der Narr ist
die einzige Figur, in deren Auge man nicht sehen kann; man merkt nur, daß
sein Blick sich aus den Herrn heftet; es hat dies etwas von einem Thier, das
gewohnt ist, seine Persönlichkeit in einem Andern zu sinden, und das, nament-
lich in nngewohnter Umgebung, den Herrn nicht aus dem Auge verliert. Er
sitzt anf einem Folianten. Wie die Sage geht, hatte man ihm eingebildet, es
handle sich bei diesem Streit darum, ob er, der Narr, solle heirathen dürsen
oder nicht, Lnther werde dafür, Eck dagegen sprechen, daher er dem Letzteren
bei der ihm nnverständlichen lateinischen Rede Gesichter geschnitten haben soll.
Der Künstler wählte die eben beschriebene edlere Beziehung auf den fürstlichen
Herrn, gleichsam von diesem den günstigen Ausgang des Streites erharrend, den
er unfähig ist, in seincm Gang zu verfolgen.
Man kann sich nicht genug darüber freuen, daß der Künstler aus der
Zeit, in der seine Seele zu Hause ist, deren Dinge und deren Menschen er so
genau kennt, jetzt gerade diesen wichtigsten und folgenschwersten Moment mit der
ganzen Stärke seiner Meisterschaft zur Darstellnng gebracht hat. — Wer wird
das Bild besitzen? Wir erfahren, daß zwar die Stadt Basel das Vorkaufsrecht